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Zukunft als Goldschmied?

 
steinfroilein
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steinfroilein

 ·  #31
Vorschlag: frag bei einem der Goldschmiedebetriebe nach einem Praktikum an. Wenn es Dir gefällt, frage, ob Du dort die Ausbildung machen kannst.

Deine derzeitige schulische Fachrichtung Wirtschaft (Rechnungswesen, Wirtschaftslehre, EDV etc.) ist ein gänzlicher Unterschied zum Handwerken als Goldschmied.

Als Schulabgänger hat man es nicht immer leicht, wenn keine ausgeprägte Berufs-Tendenz vorliegt.
Deswegen gibt es die Möglichkeit, über Praktikumplätze herauszufinden, was einem liegt und was nicht.

Du kannst ja auch während der 12ten noch andere Praktikumplätze angehen.

Ausbilder nehmen in der Tat meist lieber Abiturienten, ich war damals als Ausbilder(in) eine Ausnahme und bevorzugte Hauptschüler und Schulabgänger mit Mittlerer Reife. Da momentan Sommerferien sind, wäre das doch d i e Möglichkeit, nach einem Praktikum zu fragen.

Bedenke aber, daß bei Bewerbungsgesprächen eventuell gefragt werden kann, warum Du das Abi nicht beenden wolltest.

Nicht lange überlegen, ransetzen, Adressen rausschreiben und abklappern.

Wer wagt, gewinnt!
Dem Mutigen gehört die Welt!

Das sind nicht nur Phrasen. Wichtig sind Engagement, Wille und Durchhaltevermögen.

Wenn etwas nicht klappt und/oder nicht sein soll, dann macht man sich erst dann Gedanken, wenn es soweit ist. Das Leben besteht aus Entscheidungen und viele werden auch von anderen getroffen.

Man entscheidet sich, einen bestimmten Weg zu gehen.
Kommt man an eine Kreuzung, wo man nicht weiß, wohin und meint, alles sei falsch, dann zurück zum Ausgangspunkt und erneut eine Entscheidung treffen.

Oder wie sagen Andere? Zurück auf Los.

C'est la vie. 😉
Silberfrau
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Silberfrau

 ·  #32
Zitat
Deine derzeitige schulische Fachrichtung Wirtschaft (Rechnungswesen, Wirtschaftslehre, EDV etc.) ist
enorm wichtig
turmoil
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turmoil

 ·  #33
Zitat geschrieben von steinfroilein
Vorschlag: frag bei einem der Goldschmiedebetriebe nach einem Praktikum an. Wenn es Dir gefällt, frage, ob Du dort die Ausbildung machen kannst.

Deine derzeitige schulische Fachrichtung Wirtschaft (Rechnungswesen, Wirtschaftslehre, EDV etc.) ist ein gänzlicher Unterschied zum Handwerken als Goldschmied.


Ich fand diese Fächer nur viel wichtiger und interessanter als z.b Erdkunde, was ja auf den normalen Gymnasien angeboten wird. Das gleiche Abitur müsste ich trotzdem schreiben.

Ein Praktikum könnte mich höchstens Informieren mir aber nicht bei der Entscheidung helfen. Ich kenne mich und weiß, dass mir der Beruf zusagen würde. Die Kernaussage war ja auch eher, dass ich jemand bin dem ein angemessenes Gehalt (2000 EUR Brutto finde ich für einen solchen Beruf in Vollzeit wirklich nicht angemessen, ein Friseur ist ja sogar suf einem ähnlichen Niveau) sehr wichtig ist. Das ist die einzige Frage die ich mir Stelle. Ob ich es wagen soll, meine (klingt vielleicht arrogant) hohen Fähigkeiten und Interessen in vielen Bereichen "wegzuwerfen", obwohl ich woanders viel bessere Chancen hätte.

Ich dachte mir halt: wo kann man diese Themen besser diskutieren, als in einem Forum mit etlichen Goldschmieden und Fachkräften, die einem vielleicht Erfahrungsberichte, persönliche Infos über den Werdegang, Marktinformationen etc. liefern könnten
...
 
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...

 ·  #34
Warum bei Deinen Interessen mit einem kargen Lohn vorlieb nehmen, mache doch einfach eine Lehre als Kaufmann in einem Auktionshaus, da hast Du alles unter einem Dach, moderner Schmuck, antiker + sammelwürdiger Schmuck, Antiquitäten + Sammlerstücke, Diamanten + Edelsteine, Porzellan, Silber, Kunst, Armband/Taschenuhren etc.
Das wäre meine Empfehlung.
Silberfrau
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Silberfrau

 ·  #35
Nun, eigentlich ist alles gesagt und wir drehen und nur noch im Kreis.
Zitat
Ein Praktikum könnte mich höchstens Informieren mir aber nicht bei der Entscheidung helfen. Ich kenne mich und weiß, dass mir der Beruf zusagen würde
Gestatten, dass ich das anders sehe. Du kennst vielleicht dich, aber nicht den Beruf.
Und der Beruf wäre nur das eine Element. Das andere sind deine Träume, deine Ideen, Talente usw. Um Erfolg zu haben sollte man immer mindestens 2 Stärken kombinieren, alles andere wäre Durchschnitt.
Auch die längste Reise beginnt vor deiner Haustür.
Den 1. Schritt hast du bereits getan, indem du kompetente Menschen gefragt hast. Nun mach den 2. oder lass es.

Dass angestellte Goldschmiede nun mal schlecht bezahlt sind ist leider trauriger Fakt, aber anscheinend nicht zu ändern. Das ist aber doch auch nicht das was du anstrebst. Die finanziellen Verhältnisse sind nur durch dich selber zu ändern, aber das erfordert viel mehr als du in der Goldschmiedeausbildung alleine lernen kannst.
turmoil
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turmoil

 ·  #36
Zitat geschrieben von Silberfrau
Das ist aber doch auch nicht das was du anstrebst. Die finanziellen Verhältnisse sind nur durch dich selber zu ändern, aber das erfordert viel mehr als du in der Goldschmiedeausbildung alleine lernen kannst.


Das ist eigentlich eine sehr gute Aussage, die Sie da treffen. So habe ich noch nie wirklich darüber nachgedacht. Hatte immer eher die äußeren Eindrücke als meine eigene nötige Initiative im Blick. Ich danke Ihnen dafür.

Noch eine andere Frage die ich gerne beantwortet hätte : Ist der Beruf sehr stark durch die Technologie in Gefahr? Ich habe ja keinerlei Ahnung wie viele der Ketten und Ringe eigentlich noch handgearbeitet sind. Werden z.b. Trauringe, die man im Internet findet überhaupt noch mit der Hand gefertigt oder läuft es wie beim flaschenabfüllen zu 100% maschinell und in Serien von tausenden produzierten Stück pro Tag?
Tilo
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Tilo

 ·  #37
definiere: Trauringe, die man im Internet findet

also die auf den unzähligen Shopseiten mit Preisen
und die in den etwa 20 Konfiguratoren, wo man farbe, Breite, Profil, Steine usw frei kombinieren kann und immer sofort den jeweils gültigen preis sieht, haben natürlich nicht das geringste mit handarbeit zu tun
die daten des Konfiguratos gehen an eine 100.000 Euro-Maschine, die am Ende den für die Politur fertigen Trauring auswirft
(nur bei farbkombinationen muß bei einem Zwischenschritt mal jemand die teile zu einer anderen maschine tragen, Hitze kann das gerät noch nicht)

da kannst du dir unter Verwendung von Abschreibungskosten ausrechnen, daß da schon einige Trauringe pro Tag rauspurzeln müssen, damit sich das rentiert
so viele wie bei getränkeflaschenabfüllern sind es jedoch nicht ;-)

auf echten Goldschmiedehomepages gibt es durchaus noch handgearbeitete Ringe (die aber manchmal unter Verwendung von industriellen Rohlingen gemacht werden)

meine z.B. sind Handarbeit unter Zuhilfenahme einer allerdings unüblichen speziellen Gießtechnologie und weiterbearbeitung an einer einfachen mechanischen Drehbank
Silberfrau
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Silberfrau

 ·  #38
Klar, was eine Maschine billiger kann macht die Maschine. Du musst deine Nische finden. Das schließt die Programmierung von Maschinen ja nicht aus.
Du hast ja auf einer der vorherigen Seiten schon ziemlich gesehen, was du ändern würdest, und das wirst du mit Sicherheit auch tun müssen, denn sonst kommst du über den üblichen prekären Lohn ja nicht hinaus.
steinfroilein
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steinfroilein

 ·  #39
Nein, der Beruf ansich ist nicht in Gefahr.

Es gibt sowohl den Goldschmied in der Schmuckindustrie (Großserie und auch Kleinserie) als auch den Goldschmied im Unikats-Handwerk.

Fertig kommt fast noch nichts aus der Maschine, es muß nachgearbeitet werden.
Gußverfahren, Pressungen, und Plotter sind mittlerweile schon längst usus.

Halbzeug bestehend aus Blechen, Loten, Drähten, Rohren und Scharnieren gibt es teils fertig zu beziehen. Neben Ringrohlinge gibt es auch (Meter-)Ketten und Furnituren (nennt sich Schmuckhalbfabrikate und Schmuckhalbzeuge ).

Ein Besuch im Pforzheimer Technischen Museum und/oder den Schmuckwelten wäre zu empfehlen. In den Schmuckwelten gibt es auch eine gläseren Manufaktur, wo man sowohl den Goldschmieden bei der Handarbeit zu sehen kann, als auch, wie eine Kettenmaschine eine Kette am laufenden Band (Meterkette) produziert.
http://www.schmuckwelten.de/de…elten.html
http://www.technisches-museum.de/

Beispiel:
:arrow: In der Schmuckindustrie (Hersteller) sitzt der Goldschmied mit 10-20 anderen Goldschmieden (oder mehr) am Werktisch und lötet schon mal 500 Creolen hintereinander am Stück oder 200 Ohrstecker, einer verbödet und/oder klammert die Creolen am Bandofen, der andere versäubert nur, der nächste macht das Stiftlöten und der nächste bringt es nach der Qualitätskontrolle zur Galvanik zum Vergolden. Wieder der Nächste ist vieleicht hauptsächlich nur für das Finieren zuständig und bringt die Verschlüsse an die Ketten, Armbänder und/oder den Ohrschmuck an.
:arrow: Als Juwelen- und/oder Unikat-Goldschmied bearbeitet ein Goldschmied das Werkstück von der Pressung/Guß/Schmiedearbeit bis zum Schluß zum Vergolden/Versilbern und Fassen der Edelsteine und/oder ist für Reparaturarbeiten von Kundenschmuck zuständig.

http://www.ausbildung.de/berufe/goldschmied/

Bei "mehr Wert auf die Schule legen" gäbe es auch die Möglichkeit des Besuches auf der FH Pforzheim Fakultät für Gestaltung Schmuck und Design. Das geht dann in Richtung Designer für Schmuck und Objekte der Alltagskultur:
https://www.hs-pforzheim.de/index.php?id=118
https://www.hs-pforzheim.de/index.php?id=862
https://www.hs-pforzheim.de/index.php?id=863
turmoil
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turmoil

 ·  #40
Zitat geschrieben von Tilo
definiere: Trauringe, die man im Internet findet

also die auf den unzähligen Shopseiten mit Preisen
und die in den etwa 20 Konfiguratoren, wo man farbe, Breite, Profil, Steine usw frei kombinieren kann und immer sofort den jeweils gültigen preis sieht, haben natürlich nicht das geringste mit handarbeit zu tun
die daten des Konfiguratos gehen an eine 100.000 Euro-Maschine, die am Ende den für die Politur fertigen Trauring auswirft
(nur bei farbkombinationen muß bei einem Zwischenschritt mal jemand die teile zu einer anderen maschine tragen, Hitze kann das gerät noch nicht)

da kannst du dir unter Verwendung von Abschreibungskosten ausrechnen, daß da schon einige Trauringe pro Tag rauspurzeln müssen, damit sich das rentiert
so viele wie bei getränkeflaschenabfüllern sind es jedoch nicht ;-)

auf echten Goldschmiedehomepages gibt es durchaus noch handgearbeitete Ringe (die aber manchmal unter Verwendung von industriellen Rohlingen gemacht werden)

meine z.B. sind Handarbeit unter Zuhilfenahme einer allerdings unüblichen speziellen Gießtechnologie und weiterbearbeitung an einer einfachen mechanischen Drehbank


ja genau solche Websites meine ich. Mit verschiedenen Farbkombinationen, vorgefertigt in Serie etc.

Würde es sich denn rechnerisch überhaupt lohnen (vom Stunden"lohn") her, größtenteils handgearbeitete Ringe in Serien herzustellen? Eigentlich müssten das ja nur mit kompletten Sonderanfertigungen möglich sein, da man sich den Marktpreisen ja anpassen muss, solange man keine enorm bekannte Marke ist. Man kann ja nicht das 3-fache für den exakt selben Ring verlangen, der woanders (wie beschrieben) mit Maschinen gefertigt wird. Die Ausnahme wären natürlich Kunden die extra Wert auf Handarbeit legen ( auch bei Serienproduktion).

Ich kann mir nämlich gut vorstellen, dass manchen eine Sonderanfertigung einfach zu umständlich ist. Man muss sich mit dem Hersteller auseinandersetzen, braucht eigene Ideen und so weiter. Ein Gang zum nächsten Juwelier oder ein paar clicks im Internet sind halt schon viel angenehmer.

Ich müsste mal soweit es mir möglich ist eine kleine Marktstudie mit vergleichbaren Herstellern und Produkten durchführen um zu berechnen, ob so etwas lohnenswert ist.
tatze-1
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tatze-1

 ·  #41
Zitat geschrieben von turmoil
Würde es sich denn rechnerisch überhaupt lohnen (vom Stunden"lohn") her, größtenteils handgearbeitete Ringe in Serien herzustellen?

grundsätzlich nicht verwerflich. Wenn man gleichzeitig an zig gleichen Stücken arbeitet, verringert sich der Stundensatz pro Stück merkbar. Praktiziere ich gerade an 16 Ringanfertigungen für mein Lager (Weihnachten kommt in großen Schritten), die ich gleichzeitig herstelle.

Zitat
Eigentlich müssten das ja nur mit kompletten Sonderanfertigungen möglich sein, da man sich den Marktpreisen ja anpassen muss, solange man keine enorm bekannte Marke ist.

niemand muß sich an den Marktpreis anpassen bzw. orientieren. Die Preisgestaltung von Industrie zu Handarbeit ist in dem Sinne ja nicht exakt vergleichbar. Ich als handwerkende Goldschmiedin habe eine andere Kostenstruktur zu stemmen als die Industrie. Allerdings kann die Industrie ihre Endproduktpreise nur durch Masse und oftmals Leichtbauweise und minderwertigere Steinqualität adäquat bzw. irrsinnig niedrig halten. Homeshopping Television ist dann noch eine andere Liga, weil da der Sender die Preise vorgibt, für die an den Endkunden verkauft werden soll, dem Hersteller also überlassen wird, mit was für windigen Konstruktionen er noch auf seinen Preis kommt.

Zitat
Man kann ja nicht das 3-fache für den exakt selben Ring verlangen, der woanders (wie beschrieben) mit Maschinen gefertigt wird. Die Ausnahme wären natürlich Kunden die extra Wert auf Handarbeit legen ( auch bei Serienproduktion).

Kann man schon. Der Kunde allein entscheidet, ob er das bezahlen möchte. Ich habe viele Kunden, die statt industriell hergestellter Ware das gleiche Produkt manuell hergestellt haben wollen. Vor allem im Trauringbereich. Ich habe in diesem Bezug festgestellt, daß ich durchaus mit der Handarbeit mit den industriellen Preisen mithalten kann bzw. teilweise sogar ein bißchen günstiger bin (doof eigentlich :roll: ).

Zitat
Ich kann mir nämlich gut vorstellen, dass manchen eine Sonderanfertigung einfach zu umständlich ist. Man muss sich mit dem Hersteller auseinandersetzen, braucht eigene Ideen und so weiter. Ein Gang zum nächsten Juwelier oder ein paar clicks im Internet sind halt schon viel angenehmer.

Unser Uli hier würde sagen "Geht nicht gibts nicht". Ich ergänze das immer durch den Zusatz "Man stößt nur an seine Grenzen". Natürlich sind manche Anfertigungsideen von Kunden fast schier unmöglich bzw. so in der Denke eher unsinnig. Aber das ist der Vorteil, den der Kunde beim Direkthersteller/Goldschmied hat, er kriegt die beste Beratung, die kein Internetkonfigurator bieten kann. Nämlich die geballte Erfahrung und Fachwissen in persona. Was Sinn macht, was sinnlos ist und wie man es sinnbringend besser machen kann. DAS lernst Du nur im Betrieb direkt am Kunden. Und der Kunde dankt Dir das dann durch längere Freude an seinem Schmuckstück und durchs Wiederkommen, weil er mit Deiner Arbeit zufrieden ist.
Heinrich Butschal
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Heinrich Butschal

 ·  #42
Der Beruf des Goldschmiedes hat weiterhin Zukunft, wenn auch nicht zu erwarten ist das sich die Zahl der benötigten Arbeitsplätze explosionsartig erweitern wird ist eine Schrumpfung in den letzten Jahrzehnten schon abgeschlossen.

Das sich das Berufsbild wandeln wird ist ebenfalls sicher.
Ulrich Wehpke
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Ulrich Wehpke

 ·  #43
Ich habe das alles mit Interesse gelesen. Nach nunmehr etwa 49,6 Jahren selbständiger Goldschmiedeexistenz, kann ich also auch etwas zum Thema beitragen.

Vorab: Ein 8-Stunden-Tag gelingt mir auch heute noch nicht. Ich will ihn aber auch nicht, denn Fernsehen, Spazierengehen, Urlaubmachen ist mir auf Dauer langweilig. Meine Werkstatt war es nie. Einen Laden habe ich auch schon gehabt. Hab ihn wieder zugemacht, das war für mich eine Art Hamsterrad im Quadrat. Mir hat es immer Spaß gemacht eine gelungene Arbeit zu verkaufen, aber Handeln und Schachern war nie mein Ding. Deshalb habe ich den Laden vor 35 Jahren zu gemacht und seither geht es mir besser.

Ich habe also nur die Werkstatt. Die allerdings, ziemlich komplett. Will sagen dass ich versuche, alle mir begegnenden Probleme zu erschlagen. Das erfordert eine ziemliche Trickkiste. Aber wir haben ja auch viele Mitbewerber aus den Entwicklungsländern bekommen. Und die, die denken überhaupt nicht daran so zu denken wie ich, die produzieren mit den modernsten Methoden und Verfahrensweisen. Also? Ich hab, nachdem ich das mal begriffen hatte, aufgerüstet. Heute sind wir genau so gut wie die guten Hongkong-Chinesen. Die sind nämlich wirklich gut. Aber wir sind nicht so einseitig. Weil: GEHTNICHGIPSNICH. Und dann ist es mir auch völlig egal, ob dabei außer einem guten Ergebnis was rauskommt. Das ist dann Spaß pur.

Computerdesign? Klar doch machen wir auf vielen verschiedenen Programmen. Jedes kann was anderes gut oder besser. Modelle drucken? Klar, auch das. Wachs, Resin, 3D-Fräsen, die ganze Palette. Fassen? machen wir auch im Haus. Das ist wichtig, macht schnell und flexibel. Kostet nur viel Zeit bis mans wirklich drauf hat. Massenprodukte? Ganz selten. Mal Firmen-oder Vereinsschmuck. Mehr nicht. Man kann nämlich per CAD-Prototyping auch wunderbare Einzelstücke bauen. Und die Datensätze lassen sich später auch abändern und anderweitig verwenden. Das ist wie ein großes Werkzeuglager.

Dazu gehört jetzt aber noch etwas ganz wichtiges: Das Gießen. Wer sich mit den von den Lohngießereien angebotenen Leistungen begnügen muss, der ist zu bedauern. Die Gießereien übrigens auch, denn die sind auf Masse eingerichtet, nicht auf Einzelstücke. Und längst nichtjede Gießerei kann und will alles. Die wollen nicht, die müssen. Geld verdienen. Und da passt ein kleiner Goldschmied mit überzogenen Qualitätsansprüchen einfach nicht rein.

Warum ich das schreibe? Nun, ich glaube Du hast es schon bemerkt. Ich liebe diesen Beruf. Er ist meine Berufung, das Fundament meiner Existenz. Das Schlimmste was mir passieren könnte wäre, dass ich den Rentner geben müsste. Womöglich auch noch aus gesundheitlichen Gründen. Nicht auszudenken! Geld? Hab ich nie als wichtig empfunden, gebraucht hab ich immer welches. Andererseits ist es mir aber auch noch nie so richtig ausgegangen. Für mich als jemand, der im Krieg geboren wurde, der das ganze Elend der frühen Nachkriegszeit so richtig erlebt hat, für mich war das was ich heute bin und tue einfach unvorstellbar. Aber dahin wollte ich. Ein Traum, der in Erfüllung ging. Und was noch viel besser ist, die Werkstatt wird so weiter laufen, mein Sohn Wolfram ist seit dem Jahr 2000 Goldschmiedemeister. Seine Frau auch. Ebenfalls seit 2000. Und unser bester Freund Michael auch. Meister seit 2000 Unser Meister-Milleniums-Hattrick. Alle hier gelernt, alle drei im Millennium Meister geworden.

Glaubst Du mir, dass ich das alles noch mal machen würde? Ja? Dann hast Du Recht. Genauso und kein Bisschen anders. Und immer wenn das Geld knapp wurde. hab ich mir gesagt: Der Tag hat 24 Stunden und wenn der nicht ausreicht, dann nehm ich die Nacht dazu!

Aber Geldmangel ist eine Angelegenheit die durch Arbeit UND durch Können zu beseitigen ist. Und wer unbedingt einen Laden braucht um existieren zu können, der kann in seiner Werkstatt nichts bringen, denn der Laden kostet unendlich viel Zeit und Aufmerksamkeit. Auch darüber sollte man nachdenken.

Ich bin mir mit meinen Vorrednern, eigentlich sind es ja Vorschreiber, vollkommen in einer Sache einig: Wem das Geldverdienen den meisten Spaß an der Arbeit beschert, der sollte auf keinen Fall Goldschmied werden. Wer aber etwas schaffen will, seine eigenen Ideen leben möchte, wer nicht immer nur den leichtesten Weg sucht, ein Kämpfertyp ist, wer Zufriedenheit aus seiner Existenz heraus erleben möchte, wer spannend findet, ob er einer selbst gestellten Aufgabe gewachsen ist, wer sein Ziel erreichen will, der kann diesem Gedanken beruhigt näher treten. Es ist ein langer Weg ein Faber Aurifex zu werden aber ein schöner Weg. Wenn man ihn gehen will, wenn man das Talent dazu verspürt.
K-Heinz
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K-Heinz

 ·  #44
Gut gebrüllt Löwe!
Mann, bist du ein guter Löwe! :D
turmoil
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turmoil

 ·  #45
Zitat geschrieben von Ulrich Wehpke
Wem das Geldverdienen den meisten Spaß an der Arbeit beschert, der sollte auf keinen Fall Goldschmied werden.


Genau das finde ich nicht so. Mir würde es Spaß machen ein Handwerk mit der kaufmännischen Seite zu verbinden. Am liebsten 50/50. Ich hätte viele gute Ideen die sich hauptsächlich auf die Vermarktung etc. beziehen würden, hätte aber kein Interesse daran einen Beruf als Kaufmann bei einem Juwelier zu beginnen, da das eine schaffen fehlen würde. Ich finde man kann beides gut finden ohne eine Seite vernachlässigen zu müssen. Die großen Schmuckhersteller haben sich bestimmt auch nicht gesagt : "Ich würde ja gerne größer werden aber ich bin ja nur der Goldschmied und fertige für andere." Die haben sich hingesetzt und Marketing mit Handwerk verbunden und hatten daran wohl auch Spaß, sonst wären sie nie so weit gekommen.
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