Sie ist eine der kleinsten Abteilungen bei Lange: die nur aus sechs Personen bestehende Gravurwerkstatt im Erdgeschoss des Lange-Stammhauses. Doch in der konzentrierten Ruhe dieses kleinen Künstlerateliers lassen die sechs Meistergraveure und -graveurinnen jede Lange-Uhr zum Unikat werden – durch die im freien Schnitt ausgeführte Gravur des nicht einmal fingernagelgroßen Unruhklobens.
Warum wir unsere Uhren gravieren
Mit der Gravur des Unruhklobens und anderer Uhrwerksteile greift Lange eine alte Handwerkstradition auf und überträgt sie geschickt in die Moderne. Denn bereits die hochwertigsten Taschenuhren der sogenannten 1A-Qualität von A. Lange & Söhne wurden kunstvoll mit filigranen Gravuren vollendet.
Zu Recht gelten die Graveurmeister von einst noch heute als Vorbilder. Und ihre Werke sind aufgrund ihrer Präzision, Phantasie, Ästhetik und ihrer ausgewogenen Proportionen immer noch eine Inspirationsquelle.
Der schöne Brauch, den Unruhkloben zu gravieren, geht auch auf das historische Beispiel zurück. Da er mit der oszillierenden Unruh das Herz der Uhr hält, hielt man es für angebracht, dieses kleine Bauteil durch elegant geschwungene Ornamente besonders hervorzuheben. Deshalb wird bei den modernen Armbanduhren von A. Lange & Söhne auch heute noch jeder Unruhkloben von Hand graviert. Seine Größe variiert von Modell zu Modell, deshalb wird das überlieferte Muster an die jeweiligen Maße angepasst. Um die gebläute Schraube herum rankt sich eine Blüte und seine Fläche wird mit einem floralen Muster geschmückt. Ein „V“ für Vor- und ein „N“ für Nachgang begrenzen die Regulierskala für den Rücker, mit dem der Uhrmacher später die Ganggenauigkeit der Lange-Uhr feinjustieren kann.
Wünsche und Vielfalt
Über ausgefallene Sonderwünsche der Kunden freuen sich die Lange-Graveure am meisten, bringen sie doch ständig neue Herausforderungen in ihre Arbeit. Auf Wunsch sind Gravuren auf der Schließe, den Flanken, Hörnern oder einem massiven Boden möglich. Und auch der Unruhkloben kann individualisiert werden: durch die gravierten, mit bloßem Auge kaum sichtbaren Initialen des Trägers wird eine Lange-Uhr so zu einem ganz besonderen Einzelstück. Den Ideen der Kunden sind dabei kaum Grenzen gesetzt, allerdings behält sich die Manufaktur vor, darüber zu entscheiden, welche Kundenwünsche realisiert werden. Zu den beliebtesten Motiven gehören Monogramme, Wappen, Widmungen und Portraits. Da jeder Graveur seine individuelle Handschrift hat, lässt sich seine Arbeit auch Jahre später noch zuordnen – bei einem Besuch der Manufaktur wird das Zusammentreffen des Besitzers einer Lange-Uhr mit „seinem“ Graveur zur persönlichen Begegnung mit dem Urheber des kleinen Meisterwerks an seinem Handgelenk.
Flach oder tief
Die Erstellung einer Freihandgravur braucht Zeit. Während man für einen kleinen Unruhkloben je nach Größe zwischen 45 und 90 Minuten braucht, kann die Anfertigung eines gravierten Gold- oder Platinbodens durchaus mehr als eine ganze Woche in Anspruch nehmen.
Bei Lange kommen im Wesentlichen zwei Gravurtechniken zum Einsatz: der Flachund der Reliefstich. Beim Flachstich handelt es sich um eine grafische Darstellung, während die Reliefgravur zu einer plastischen Ausprägung im Metall führt. Der Flachstich eignet sich vor allem für die Gravur von Schriften. Charakteristisch für diese Gravurart sind die feingeschwungenen Linien. Bei der Reliefgravur wird das Motiv aus dem Material herausgearbeitet, so dass es als Relief erhaben stehen bleibt. Die vertieften Linien und aufgerauhten Flächen können mit farbigem Email aufgefüllt und dadurch optisch hervorgehoben werden. Jede Gravurart verlangt ihre eigenen Werkzeuge.
Während beim Flachstich ausschließlich Stichel in verschiedenen Breiten benutzt werden, benötigt man für die Ausführung des Reliefstichs zusätzlich noch Meißel und Punzen. Nicht selten finden sich über 40 verschiedene Stichel am Arbeitsplatz eines Graveurs. Je nach Schnittkante oder -fläche unterscheidet man Spitzstichel, Rundstichel, Bollstichel, Facettenstichel, Fadenstichel und Flachstichel sowie einige spezielle Ausführungen. Da der Stichel fest und sicher in der Hand liegen muss, fertigt jeder Graveur sein Werkzeug selbst und passt es genau auf seine ergonomischen Bedürfnisse an.
In der Ruhe liegt die Kunst
Gravur ist Kunst en miniature. Graviert wird deshalb fast ausschließlich unter dem Mikroskop mit zehn- bis zwölffacher Vergrößerung. Um die Gravur wirklich perfekt ausführen zu können, muss man Meißel und Stichel hundertprozentig beherrschen.
Drei Jahre dauert die Ausbildung zum Graveur. Doch um es in seinem Fach zur Meisterschaft zu bringen, kommt es vor allem auf die persönlichen Voraussetzungen an. Zunächst bedarf es einer „ruhigen Hand“. Mindestens genauso wichtig sind räumliches Vorstellungsvermögen, zeichnerisches Können und eine ausgeprägte künstlerische Begabung. Denn die gestalterische Eigenständigkeit eines Graveurs schlägt sich nicht nur in der „eigenen Handschrift“ nieder. Er ist auch freier Schöpfer der bei ihm in Auftrag gegebenen Werke. Ihn als „Künstler im Kleinen“ zu bezeichnen ist daher keine Übertreibung.
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