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Christine Genesis, Hamburg - Armbanduhren von subtiler Raffinesse

So etwas nennt man wohl eine frühe Disposition. Bereits lange vor ihrem 18. Geburtstag entwickelte die gebürtige Rheinländerin Christine Genesis eine starke Affinität zu Uhren aller Art. Oft zog es sie zum Uhrmacher in ihrer Heimatgemeinde, wo sie dem Meister interessiert über die Schulter schaute und sich von der Faszination der Mechanik infizieren ließ. Heute baut sie in ihrem Hamburger Atelier selbst hochwertige mechanische Zeitmesser. Davon konnten sich jüngst die Besucher der Munichtime und der Viennatime überzeugen.

Mit 17 Jahren reparierte Christine Genesis die erste Großuhr, später begann sie Uhren zu sammeln. Zunächst noch eher unsystematisch ("Ich kaufte einfach, was mir gefiel"), später immer gezielter. Und infrage kamen ohnehin nur mechanische Werke. Außerdem besorgte sie sich alle verfügbare Literatur zu diesem Thema. Aber schon bald reichte es ihr nicht mehr, Uhren nur zu sammeln und darüber zu lesen. Sie wollte eigene bauen. So etwa mit 20 Jahren hatte sie dann die erste Inspiration zu ihrem eigenen Zeitmesser. Dieser Traum sollte Wirklichkeit werden, doch erst nach vielen Jahren, in denen die Mechanik-Begeisterte die Uhrmacherei von der Pike auf lernte und anschließend bei einer ersten Adresse umfassende Erfahrungen sammelte. So gibt es vermutlich nur sehr wenige Modelle und Werke, die Christine Genesis in den vergangenen Jahren nicht unter der Uhrmacherlupe hatte, revisionierte und gegebenenfalls reparierte. Darunter Uhren mit aufwändigen Komplikationen wie dem Ewigen Kalender. Ende des Jahres 2004 war es an der Zeit, den Traum von der eigenen Kollektion allmählich Wirklichkeit werden zu lassen. Christine Genesis machte sich selbstständig, gründete in einem alten Fabrikgebäude im Süden Hamburgs ihr eigenes Atelier und brachte schließlich in Zusammenarbeit mit dem Designer Jorn Lund eine kleine Serie von Armbanduhren auf den Markt.

Wir begegneten Christine Genesis und ihrer Kollektion erstmals während eines Uhrensalons im traditionsreichen Hamburger Hotel Atlantik. Ein Event, das vielen kleineren und mittleren Ateliers eine resonanzstarke Bühne bot, um ihre Kollektionen wirkungsvoll in Szene zu setzen. Um es gleich vorweg zu nehmen: Genesis-Uhren sind keine "Mainstream-Ticker". Den lange Zeit scheinbar unaufhaltsamen Trend hin zu immer größeren Armbanduhren hat sie nie mitgemacht, was von den einen Uhrenfreunden ausgesprochen begrüßt wurde ("Endlich mal wieder Modelle mit einem Durchmesser von 37 bis 38 Millimetern"), bei den anderen aber nicht unbedingt auf Beifall stieß ("Ich würde mir eine ‚Genesis' durchaus kaufen, wenn das Gehäuse etwas größer wäre"). Doch die Hamburger Jungunternehmerin blieb ihrer Linie treu, was nicht nur konsequent ist, sondern auch unter Marketing-Aspekten durchaus Sinn macht. Der Erfolg liegt in der Differenzierung. Bis auf ein paar Ausnahmen brachten in den vergangenen Jahren fast alle gängigen Uhrenmarken immer größere Modelle auf den Markt. Schien früher eine Uhr mit einem Gehäusedurchmesser von 40 Millimetern schon reichlich dimensioniert, so ging der Trend später in Richtung 50 Millimeter. "Großformatige Modelle auf den Markt zu bringen, hätte gegen meine Design-Präferenzen und damit gegen meine Überzeugung verstoßen", sagt Christine Genesis. Und dass sie mit ihren Uhren nicht unbedingt potenzielle Kunden anspricht, für die ein Zeitmesser vor allem ein Statussymbol sein muss, ist ihr ebenfalls klar: "Dazu bin ich zu unbekannt. Niemand wird meine Uhren aus ein paar Metern Distanz erkennen und dem Träger zurufen: ‚Toll, Du trägst ja eine Genesis'", räumt die Uhrmachermeisterin aus dem Norden augenzwinkernd ein. Es ist indessen zu vermuten, dass die stolzen Besitzer einer solchen Uhr auf derlei Bemerkungen keinen Wert legen. Sie tragen einen Zeitmesser, der nur in sehr geringer Auflage hergestellt wird und Individualisten anspricht. Und von denen gibt es gerade unter den Uhren-Liebhabern bekanntlich eine ganze Menge. Was aber zeichnet Genesis-Uhren - jenseits der zurückhaltenden Dimensionen - aus, was überzeugt die Käufer, die am Markt die Qual der Wahl unter einer kaum noch überschaubaren Vielfalt an Marken und Modellen haben? Wenn das Konzept "Individualist trifft auf individuelle Uhren" aufgehen soll, bedarf es individueller und unverwechselbarer Merkmale. Einige Monate nach dem Hamburger Uhrensalon trafen wir Christine Genesis erneut und sprachen mit ihr unter anderem über dieses Thema.

Ausbildung an der Uhrmacherschule Pforzheim

Zunächst freilich interessierte uns, wie aus der jungen Uhren-Enthusiastin eine Uhren-Schöpferin wurde. Immerhin gehört sie zu den sehr wenigen Uhrmachermeisterinnen in Deutschland, die eigene mechanische Zeitmesser fertigen. Die Geschichte ist schnell erzählt, obgleich sie quer durch die Republik führt. Dass Christine Genesis angesichts ihrer Begeisterung für mechanische Zeitmesser schon bald eine Uhrmacherlehre absolvieren würde, war abzusehen. Sie begann ihre Ausbildung beim Uhrmachermeister in ihrer Heimatgemeinde, stellte aber bald fest, dass ihr in dieser kleinen Werkstatt nicht jene Fähigkeiten vermittelt werden konnten, die sie erlernen wollte. So wechselte sie bereits nach zwei Monaten den Lehrmeister und begann eine Ausbildung an der Uhrmacherschule in Pforzheim. Und die war so ganz nach dem Geschmack von Christine Genesis. "Dort habe ich unter anderem Pendeluhren gebaut, das Guillochieren gelernt und Gehäuse selbst gefertigt. Später besorgte ich mir dann Werke und schuf meine erste eigene Uhr, die heute in den Tiefen meiner Schubladen schlummert. Spätestens damals fasste ich endgültig den Entschluss: Ich wollte meine eigene Uhrenkollektion kreieren", erinnert sich die Uhrmachermeisterin an den Beginn ihrer Karriere.

Die Uhrenleidenschaft der jungen Frau ging freilich nicht auf Kosten ihres Realitätssinns. Nach Abschluss ihrer Ausbildung arbeitete sie zunächst bei einigen Uhrmachern und reparierte dort die unterschiedlichsten Zeitmesser. "In dieser Phase lernte ich ganz verschiedene Konstruktionen kennen", erinnert sich Christine Genesis. Ende der 1990er Jahre kam sie nach Hamburg und war sieben Jahre im Service-Atelier von Wempe tätig. Dort reparierte und wartete sie unter anderem Nobelticker aus den namhaften Manufakturen in der Schweiz und im sächsischen Glashütte. Kein Wunder, dass sie über die Stärken und Schwächen vieler Marken und Modelle bestens Bescheid weiß. "In diesen Jahren erwarb ich meine Kompetenz für die Selbstständigkeit und für den Aufbau meiner eigenen Kollektion", stellt Genesis rückblickend fest.

Begonnen hat alles mit der Genesis 1. Vor allem die Variante mit galvanoschwarzem Zifferblatt erwies sich rasch als Bestseller, sofern dieser Begriff bei einer Limitierung auf 44 Stück überhaupt angemessen erscheint. Schon das erste Genesis-Modell wies eine deutliche Design-Sprache auf, die sich heute durch die gesamte Kollektion zieht. Zeitlos elegante Klassiker sollten es werden - das war die Intention, als Christine Genesis und Jorn Lund über das Design nachdachten. Dazu gehört, das Zifferblatt nicht zu überfrachten. Wie schon bei der Entscheidung, dem modischen Trend hin zu übergroßen Gehäusen nicht nachzulaufen, sollten Genesis-Uhren auch einen bewussten Kontrapunkt setzen zu den vielen Zeitmessern mit reichlich verspielten Zifferblättern. Tatsächlich gewinnt man bei manchen Modellen den Eindruck, die Designer hätten buchstäblich jeden Quadratmillimeter genutzt, um noch irgendwelche Funktionen, Skalen oder Signaturen unterzubringen. So mutet manche Uhr heute an wie ein runder Rechenschieber. Das mag man schön finden oder nicht - unbestritten ist, dass solche Zifferblätter die Ablesbarkeit nicht unbedingt erleichtern.

Markante farbige Akzente

Allerdings: Genesis-Uhren sollten trotzdem nicht so nüchtern wie eine Bahnhofsuhr daher kommen. Gefragt war mithin eine Prise subtiler Raffinesse. Und die Klarheit des Zifferblattes ermöglicht es, diese Subtilität schnell zu erfassen. Die Genesis 1 erhielt etwa neben dem Datum eine Tages- und Gangreserveanzeige. Was sofort ins Auge fällt: Die Zeiger dieser Zusatzfunktionen sind beim Modell mit schwarzem Zifferblatt rot und grün. Sie setzen markante farbige Akzente, ohne aber allzu dominant zu wirken. Wer es eine Idee schlichter mag, entscheidet sich für das silberne Zifferblatt, auf dem sich zwar ebenfalls ein roter Gangreserve-Zeiger bewegt, der auf dem hellen Untergrund aber erst auf den zweiten Blick auffällt.

Das Modell Genesis 2 erhielt neben der Gangreserve-Anzeige (natürlich mit rotem Zeiger) ein Großdatum mittig in der oberen Hälfte des Zifferblattes. Wer sich für die Genesis 3 entscheidet, ersteht eine Uhr mit Großdatum und Zweiter Zeitzone. Die Genesis 4 entspricht der Nummer 2, allerdings mit Indexen statt Ziffern auf dem Zifferblatt.

Das Genesis Modell 4
Das Genesis Modell 4

Alle Uhren dieser Kollektion gibt es sowohl mit schwarzem als auch mit silbernem Zifferblatt und einzeln von Hand applizierten Indexen. Die Modelle sind jeweils auf 44 Stück begrenzt. Angetrieben werden die Uhren vom Basis-Kaliber Eta 2892-2, das Christine Genesis um die erwähnten Zusatzfunktionen modifiziert. "Ich lege bei meinen Uhren nicht nur Wert auf eine besondere Ästhetik jenseits kurzlebiger Trends. Sehr wichtig ist mir darüber hinaus ein hohes Maß an Qualität. Deshalb baue ich nicht einfach nur Werke in die Gehäuse ein. Ich zerlege sie vielmehr komplett, schaue sie mir genau an, schmiere - falls erforderlich - nach und wuchte eventuell die Unruh noch mal aus", berichtet Christine Genesis. Überzeugen soll das Werk auch optisch. Dafür erhalten die Rotoren dieser Uhren einen Genfer Streifenschliff und die Gravur "Genesis". Ferner dekoriert die Uhrmacherin ihre Meisterstücke mit Perlschliff und gebläuten Schrauben. Doch weil das im Grunde nichts Neues ist, denkt Christine Genesis über einen eigenen Schliff nach, der die Individualität ihrer Zeitmesser noch stärker betonen könnte: "Vielleicht werde ich in nächster Zeit mein eigenes Muster entwerfen."

Freunden von Chronographen - von denen es bekanntlich nicht wenige gibt - hat Christine Genesis gleich drei Varianten zu bieten, die allesamt Namen aus ihrer Familie tragen: Jac, René und André. Sie basieren auf dem bekannten Valjoux-Werk 7751. Beim Modell Jac handelt es sich quasi um einen Chronographen "pur", der neben dem Kurzzeitmesser mit einer Datumsanzeige und einer Kleinen Sekunde ausgestattet wird. Das Modell René verfügt über eine Mondphase, und der auf zehn Stück limitierte Chronograph André tickt in einem edlen Goldgehäuse.

Die Genesis-Automatikuhren 1 bis 4 sowie die Chronographen bilden gleichsam die tragenden Säulen der Genesis-Kollektion. Sie wurde in den Jahren 2009 und 2010 aber mit weiteren "Spezialitäten" ausgebaut. So lancierte das kleine Unternehmen mit der Genesis Geo eine Uhr mit Zweiter Zeitzone, erhältlich mit schwarzem, braunem oder grauem Zifferblatt. Hinzu gekommen ist ferner das Modell Rondo mit dem Handaufzugswerk Peseux 7001. Hier kann der Kunde zwischen einem schwarzen und einem silbernen Zifferblatt wählen. Dieses Modell überrascht mit einem Detail, auf das man erst einmal kommen muss. Auf dem Zifferblatt der elegant-flachen Uhr befindet sich statt der Kleinen Sekunde eine Scheibe, die ihre Runden dreht. Sie weist eine längliche, rechteckige Aussparung auf. Unter der Aussparung ist das Zifferblatt farbig lackiert. So entsteht der Eindruck, als befände sich ein Index auf der Sekundenscheibe. Eine optische Täuschung.

In kleiner Auflage wurde 2011 ferner eine Automatik-Uhr mit dem außergewöhnlichen Lemania 8810-Kaliber mit doppeltem Federhaus auf den Markt gebracht. Und schließlich darf in der Genesis-Kollektion eine Damenuhr nicht fehlen, obgleich eigentlich die gesamte Kollektion aufgrund der erwähnten eher zurückhaltenden Größe der Gehäuse für männliche und weibliche Handgelenke gleichermaßen geeignet erscheint.

Genesis-Uhren begegnet man entweder auf Ausstellungen, die auf der Homepage der Uhrmacherin angekündigt werden (www.genesis-uhren.de), oder aber der Interessent vereinbart vor seinem nächsten Aufenthalt in der Hansestadt einen Besuch bei der Uhren-Herstellerin. Grundsätzlich ist es natürlich möglich, einen solchen Zeitmesser über das Internet zu bestellen. Die Uhrmacherin verzichtet aber bewusst auf ein automatisiertes und damit unpersönliches Bestellsystem, bei dem der Kunde seine Uhr auswählt, in den Warenkorb legt, die Kreditkartennummer eingibt und anschließend hofft, dass die bestellte Ware seinen Vorstellungen entsprechen möge. "Ich baue individuelle Uhren für Individualisten. Und das bedeutet eben nicht zuletzt individuelle Beratung. Wer nicht nach Hamburg kommen kann, signalisiert mir zum Beispiel via Internet einfach sein Interesse. Ich nehme dann mit dem Kunden Kontakt auf und beantworte alle seine Fragen telefonisch", erläutert Christine Genesis.

Wer es jedoch einrichten kann, sollte seine Uhr persönlich an ihrer "Geburtsstätte" abholen. Das hat nicht nur einen besonderen Reiz, vielmehr führt der direkte Kontakt mit den Uhren bisweilen zu neuen Eindrücken, was unser Selbstversuch bewies. Ursprünglich hatten wir eine Genesis-Uhr mit schwarzem Zifferblatt favorisiert. Vor Ort indessen entschieden wir uns für die silberne Variante. Alle Uhren werden erst auf Bestellung gefertigt, insofern verbleiben dem Käufer im Schnitt etwa drei bis vier Wochen Vorfreude, bis seine neue Genesis-Uhr am Handgelenk tickt.

Der Direktvertrieb mit persönlicher oder telefonischer Beratung ist die Voraussetzung für ein weiteres Charakteristikum der Genesis-Uhren: Sie sollen durch ein faires Preis-Leistungs-Verhältnis überzeugen. Die Genesis Modelle 1 bis 4 kosteten im Frühjahr 2010 jeweils 1.980 Euro, die Preise für die Chronographen liegen zwischen knapp 1.700 und 2.200 Euro, und für den auf zehn Stück limitierten Gold-Chrono muss der Kunde knapp 10.000 Euro zahlen. Das Handaufzugsmodell kostet 1.750 Euro, für die Genesis Geo zahlt der Kunde ebenfalls 1.750 Euro.

Bleibt angesichts der doch deutlich gewachsenen Kollektion eigentlich noch Zeit für Reparaturen an anderen Uhren? Das Schwergewicht habe sich in den vergangenen Jahren allmählich auf die Herstellung der eigenen Zeitmesser verlagert. Aber natürlich mache es ihr nach wie vor Spaß, hochwertige Uhren zu reparieren, sagt Christine Genesis. "Vielleicht nicht unbedingt eine einfache russische Taschenuhr, aber interessante Modelle der bekannten Marken, die ich ja fast alle aus meiner früheren Tätigkeit kenne, repariere und revisioniere ich gern, sofern es aktuell die Zeit erlaubt".

Zeit nimmt sich Genesis ferner etwa fünf Mal im Jahr für ihre Seminare. Jeweils maximal vier Uhrenliebhaber lernen dabei an einem Wochenende die Faszination der Mechanik kennen. Die Teilnehmer zerlegen nach einer theoretischen Einführung in die Funktionsweise mechanischer Zeitmesser das Werk ihrer Seminaruhr (Unitas-Kaliber), reinigen die Einzelteile und bauen das Werk wieder zusammen, justieren den Gang und testen abschließend die Wasserdichtigkeit. Daneben haben die Seminarteilnehmer die Möglichkeit, einen Schliff auf die Werkplatinen aufzubringen und das Werk damit optisch zu veredeln. Die somit selbst zusammengebaute und verschönerte Uhr geht danach ins Eigentum des Seminarteilnehmers über. Stolz kann er dann seinen im doppelten Wortsinn "eigenen" Zeitmesser am Handgelenk tragen. Und während des Seminars lernen die Teilnehmer praktisch ganz nebenbei die Genesis-Kollektion kennen - für den Fall, dass es bei der Seminaruhr nicht bleibt soll. Das ist immerhin sehr wahrscheinlich, denn die Ansteckungsgefahr des "Uhren-Virus" ist groß.

Archivbeitrag 28.11.2011
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