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Schmuckbranche: Jammern auf hohem Niveau?

 
Eleonore
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Eleonore

 ·  #1
Okay steinigt, diamantesiert mich oder versilbert mich :derda:
Ich bin nicht aus der Branche, schaue also nur von außen darauf, als Interessierte und Faszinierte.
Als Designerin und Grafikerin bin ich im Schmuckbereich ja eher hobbymäßig unterwegs.

Was mir aber am Forum und generellen Brancheninfos so auffällt, Goldschmiede, Juweliere – sie alle Jammern, der Einzelhandel würde zusammenbrechen, Kundinnen nix mehr kaufen oder nur Ramsch verlangen, oder... (deshalb schimpft man auch gern auf Modeschmuck)

Dann aber
- Swatch vertreibt nun auch Schmuck,
- ebenso hat Fossil neben Uhren auch ein Schmucksortiment,
- Palmers will in Schmuck machen, so auch Douglas
- LVMH baut das Sortiment Schmuck aus, weil sie dort am meisten Zuwächse haben http://www.fashionunited.de/news/lvmh.htm
- der Luxusmarkt boomt und Richemont hat im Schmuck ein Umsatzplus von 13% http://www.zisch.ch/navigation…OID=201335
etc...

Gerade eben sehe ich die neuesten Statistiken des Statistischen Bundesamtes.
"Beachtliche Umsatzsteigerungen wurden auch in der Herstellung von ... Schmuck ... (+ 10,7%) erzielt."
http://finanzen.net/news/news_detail.asp?NewsNr=437592

Ja, was nun. Scheinbar wird Schmuck gekauft, wie nie zuvor. Wer verkauft denn das alles, geht das jetzt alles über den Online-Handel? Oder läuft das hier so a la "wer nicht jammert ist kein guter Geschäftsmann?"

Es grüßt,

Eleonore
Heinrich Butschal
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Heinrich Butschal

 ·  #2
Hallo Eleonore,

Du scheinst gerne mit Statistiken zu spielen. Hier sehe ich einen anderen Text:

"Beachtliche Umsatzsteigerungen wurden auch in der Herstellung von Möbeln, Schmuck, Musikinstrumenten und Sportgeräten (+ 10,7%), "

Zum ersten sind da die anderen Branchen summiert und bei Schmuck auch der Modeschmuck drin und zum zweiten ist das die Produktion nicht der Umsatz im Inland.

Die Zahl der Juweliere sinkt seit 2 Jahrzehnten stetig, die Zahl der Schmuckhersteller in Pforzheim hat Jahre mit 30 % Schließungen udn Insolvenzen hinter sich und der Trend geht im Echtschmuckbereich weiter.

Durch meine Gutachtentätigkeit sehe ich besonders deutlich welche Probleme der Einzelhandel hat. Von gesundschrumpfen mag ich gar nicht sprechen wenn der der Pro Kopf Umsatz in Deutschland mit Schmuck geringer geworden ist als der entsprechende Umsatz mit Schnittblumen. Und von diesem Umsatz beanspruchen mittlerweile die Versender (Kataloge und Fernsehen) gut die Hälfte.
kaa
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kaa

 ·  #3
Da Modeschmuck für alle Altersklassen bezahlbar ist, wird er natürlich auch gern gekauft. Wenn man so auf der Fußgängerzone schlendert und nen Blick in BB wirft sieht man einen Haufen Girlies, die tonnenweise einkaufen. Ebenso Swatch, Esprit und Co. Aber Goldschmiedearbeit, ja nu. Ich glaub schon, dass die um Kunschaft bangen müssen. Und was sagt uns die Statistik, rein gar nichts...
glamourstyle
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glamourstyle

 ·  #4
Hallo,

also mal ehrlich: Dieses Gejammere in der Branche geht mir mittlerweile gehörig auf den Zeiger :twisted:

Ich bin seit 12 Jahren in der Branche (habe Erfahrung in der Produktion und im Vertrieb) und gehöre noch zu den Youngstern :D .

Ich habe viele Ideen, wie man Manches besser machen könnte, aber wenn die vielen "Alten Hasen" in der Branche so versteift sind und eher nach hinten als nach vorne schauen, dürfen wir uns nicht wundern, wenn alles schlechter wird.
Die "Alten" sollten zu Neuem bereit sein.

Ich schreibe ja meine Briefe auch nicht auf der Schreibmaschine, wozu gibt es Computer.

Mein Kommentar soll nicht großkotzig wirken, aber so ist es leider in der Branche. Vor allem in der "Goldtown".

Gruß
Timo
Tilo
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Tilo

 ·  #5
Timo,zu welch neuem bitteschön, ich hör dir gespannt zu, nur meckern bringt nix, deute doch ein paar verbesserungsvorschläge an
gruß
tilo
Eleonore
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Eleonore

 ·  #6
Hallo Heinrich,

meiner Interpreation nach werden in der Statistik die Branchen nicht aufsummiert.
Aber wir wissen beide, dass Zahlen immer eine Interpretationssache sind.

In Pforzheim war ich noch nie und kenne die Situation dort nicht, die Beschreibung hört sich horrend an.


Hallo Alle,

Ich kann nachvollziehen, dass sich der Einzelhandel stark wandelt: wer verkauft seine Elektronikgerägte, PCs, beim Elektronik Einzelhandel, sein Fleisch und Wurstwaren beim Metzger, geht zum Schumacher für das eigene Schuhwerk und zum Schneider für das neue Business.Kostüm oder -Anzug, zum Tischler für die neuen Schlafzimmermöbel, etc.
Aber ehrlich mal - wer widersetzt sich diesem Wandel? Wer von jenen, die da auf Modschmuck-Kaufende schimpfen unterstützt die lokale Wirtschaft?

Zu den Juwelieren - verkaufen diese nur noch selbstproduzierten Schmuck und nich mehr Bulgari & Co? Da bin ich jetzt stark verwundert, v.a. wenn ich bei Schaufenstern vorbei bummle. die Umsatzgewinne in der Schmuckbranchen obengenannter Firmen werden ja wohl nicht nur außerhalb des deutschsprachigen Raums gemacht.

@ Glamourstyle. lieber Timo, wo siehst Du die Wandlungsmöglichkeit?
Welche Chanchen gibt es?
In die Modeschmuck-Ecke stoßen wie es andere deutsche Produzenten machen (jener, der vor einigen Jahren mit großen Kreuzen und anderm silberzeug, mit buten Steinen)?
Individualist bleiben, sich auf die Schönen und Reichen spezialisieren?
Neue Verkaufskanäle? Wie: schmuck-foren/ftopic1642.html

Sehr nachdenklich hat mich dei Branding-Diskussion vor einigen Monaten gemacht.
Waren da deutsche Schmuckmarken dabei? Österreich war zumindest mit Swarovky vertreten, oder :lol:

Würde es spannend finden, Eure Meinung zu neuen, anderen, möglichen Wegen zu finden, weil jammern und auf andere schimpfen - Modeschmuck von Bijou Brigitte, Six, etc. - ist zwar ab und an gut fürs Seelenheil, aber langfristig wenig konstruktiv.

Schöne Grüße,

Eleonore

P.S.: Eine, die definitiv die letzten Jahr mehr Geld bei Juwelieren, Goldschmiedinnen und Schmuckverkäufern gelassen hat als in Gärtnereien, Holland Blumen Mark, bellaflora, Gartenabteilung von Supermarkt, Baumax. Und nicht nur am 14.2. 8)
Ulrich Wehpke
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Ulrich Wehpke

 ·  #7
Hallo Eleonore,

ich schließe mich im gug den Worten von H. Butschal an. Die Statistiken werden immer so geschrieben und interpretiert, wie man es gerade zur Untermauerung eines Anliegens nötig hat. Es mag schon sein, dass es Zuwächse auf dem Produktionssektor gibt. Allerdings gibt die Statistik überhaupt keine Auskunft darüber, um wieviel die Produktion in den Vorjahren geschrumpft ist. Aktuelle Beispiele aus der Letzten Zeit belegen, dass auch jetzt noch Traditionsunternehmen, Ikonen der Branche gleich reihenweise insolvent werden. Die spielen doch kein Theater, oder?

Sich nur den (momentanen) Zuwachs als Indikator herauszupicken, bringt also gar nichts. Das Gejammer ist schon echt, ich weiß es nur zu gut. Zum einen habe ich es am eigenen Leib erfahren, zum anderen sehe ich was unsere Kunden an Umsätzen bei uns machen und was sie einmal gemacht haben. Diesen Einblick hat nicht jeder.

Was die Sache noch verschlimmert, ist der Aufbruch in Fernost. Dort explodieren die Produktionen, während hier die Arbeitsplätze wegen Luftmangel geschlossen werden müssen. Die Branche ist derart klamm geworden, dass Zahlungen an Lieferanten sehr oft mit monatelanger Verspätung erfolgen. Der Handel greift aus der Not heraus nach den billigsten Trendartikeln, weil er nur die für wenige Tage zu überhöhten Preisen verscherbeln kann, auf dem Rest bleibt er ohnehin sitzen. Basel ll sorgt für weitere, schlimme Sorgen. Ei einziger Schamassel.

Und der Deutsche Kunde, der Käufer? Er ist geil vor Geiz. Kauft nur noch China-Ware und wundert sich, wenn er arbeitslos wird. Die ganze Nation, die ganze Welt verhält sich wie die Hefe in einer Gärlflüssigkeit. Man denkt nur an sich selbst, frisst, vermehrt sich, prasst hemmungslos drauf los. Der Tag wird kommen, an dem nichts mehr das ist, oder an dem die Menschheit in ihrem eigenen Dreck erstickt. Nur mit dem Unterschied, dass die Hefe es nicht besser weiß. Das Verhalten ist jedoch das Gleiche!

Und die arbeitslosen Goldschmiede? Ich habe gerade wieder 10 Formularsätze mit giftigen Kommentaren an die Agentur für Arbeit zurück geschickt. Von 10 vorgeschlagenen Bewerbern, hat sich, sage und schreibe, ein einziger gemeldet! Und das war eine Frau, die keinen Wert darauf legte eine Arbeitsstelle zu beginnen, weil sie sich zu einem Studium entschieden hat.

Wenn ich hier wirklich vom Leder zöge und mal die vorgehaltene Hand vor dem Mund wegnähme, dann wäre dies mit absoluter Sicherheit ein Fall für die Forums- Zensur! Jammern? Ich? Eigentlich bin ich nur noch stinkig. Wenn ich 20 Jahre jünger wäre, dann sähe mich Deutschland nur noch von hinten. In diesem Land kann man nur noch mit geballter Faust leben, leider!

Und unsere Politiker? Sie haben erst dann Ruhe, wenn sie auch den letzten freien Euro eingesackt, und die Republik in ein Verwaltungsparadies umgewandelt haben, in dem sich jeder am Monatsanfang die Stütze holt und alle Entscheidungen von Beamten- u. Funktionärsschreibtischen aus getroffen werden. Mir wird speiübel!

Ulrich
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Guestuser

 ·  #8
Zitat geschrieben von Ulrich Wehpke
Und der Deutsche Kunde, der Käufer? Er ist geil vor Geiz. Kauft nur noch China-Ware und wundert sich, wenn er arbeitslos wird. Die ganze Nation, die ganze Welt verhält sich wie die Hefe in einer Gärlflüssigkeit. Man denkt nur an sich selbst, frisst, vermehrt sich, prasst hemmungslos drauf los. Der Tag wird kommen, an dem nichts mehr das ist, oder an dem die Menschheit in ihrem eigenen Dreck erstickt. Nur mit dem Unterschied, dass die Hefe es nicht besser weiß. Das Verhalten ist jedoch das Gleiche!


Hallo Ulrich, moin Rest,

ich will Dir nicht widersprechen und political correctness ist mir wie andere Wattebäuschchen-Werf-Aktionen auch fremd. Gerade darum aber möchte ich eine Fußnote zur "China-Ware" doch loswerden, weil ich China ein wenig und ein paar Chinesen ein bisschen mehr kenne:

Das, was wir hier gern "China-Ware" nennen, heißt in China traditionell "Export-Ware" (oder auch: minderwertige Ware für unkultivierte Deppen, die es nicht besser wollen). Traditionell deshalb, weil Chinas Exportgeschichte schon eine sehr lange ist. Während wir uns gern auf der Illusion ausruhen, dass Chinas Größe allein von Fälschern abhängt, lehrt nämlich ein Blick in die Geschichte, dass das wohl eine eher narzistische Perspektive ist: China hatte Papier, als wir noch nicht mal auf Pergament kratzten und eine Ambrust, lange bevor Wilhelm Tell immer noch keine hatte, und wir behaupten trotzdem gern, er hätte sie vor ihrer Erfindung auf seinen Sohn abgeschossen. Spätestens aber seit dem Beginn des Seiden- und Porzellanexports haben Chinesen eines ganz schnell gelernt: Europäer haben keinen Sinn für Schönheit und Qualität, sie wollen Masse und den güldenen Schein und geben gern zuviel dafür aus, was sie dann "billig" nennen. Und wir haben, wie Ulrich ganz treffend illustriert, wenig getan, um das Gegenteil zu beweisen oder auch nur, davon zu lernen.

Chinesische Goldschmiede (und Chinesen, die viele Goldschmiede aller Herren Länder beschäftigen), die stolz auf ihr Gewerbe sind und es entsprechend exzellent ausüben, reden genau wie Du über diese Massenware - und Ihr habt zweifellos gemeinsam recht. Sie packen ihre Glanzstücke immer schon weg, wenn eine Langnase das Geschäft betritt, weil sie wissen: Die wollen das andere und alles andere wäre auch Verschwendung. Es gibt eine Tradition Asiatische Kultur-Arroganz, die sich hinter dem Lächeln kaum jemand vorstellen kann und die sich mit einer provozierend väterlichen Nachsicht paart: Die aus Europa, die wissen es eben nicht besser und können echte Werte nicht erkennen, selbst wenn sie sie sehen. Und versuch bloß nicht, es ihnen zu erklären, denn sie halten sich trotz allem für schlauer. Oder wie der alte Weise sagt: "Ein Kind lernt nur, wenn es begreift, dass der Lehrer der ist, der mehr weiß". Und so sehr ich - Europäisch kultur-arrogant aus Profession - ihnen auch gern widersprechen würde: Ich befürchte, sie haben wenigstens statistisch immer noch recht. Wer einmal zugesehen hat, was sich Touristen in Asien selbst andrehen (denn Verkäufer brauchen da gar nichts zu machen, außer einen Preis zu nennen), mit welcher Unkenntnis dort zum Beispiel "Antiquitäten" gekauft werden, unter denen unübersehbar "Made in Taiwan" steht oder - Gipfel der Peinlichkeit! - wie ein Deutscher einem chinesischen Händler dessen eigene Kultur "erklärt", hat das ganz dringende Bedürfnis zu sagen: Mit denen bin ich nicht verwandt! Ich hab mit ihnen nichts zu tun. Europa / Deutschland ist gaaaaanz anders ...

Ist es das? In unseren Träumen von Dichtern und Denkern zweifellos. In unserer Idylle von Leitkultur und Wertegemeinschaft vielleicht. In der Realität? ... ... ... Es gab mal Zeiten, in denen man sich im Handeln wenigstens rhetorisch an den eigenen Kulturidealen orientierte. Auch dieses immerhin noch vergoldete Zeitalter dürfte mit geilem Geiz und billiger Sau vorbei sein.

Da ich Hoffnungen aber nicht so schnell aufgebe, nur weil sie aussichtslos sind und an den Einfluss der Worte auf unser Denken glaube wie andere an den Heiligen Gral oder die Jungfräulichkeit Mariens, plädiere ich für den Verzicht auf den Begriff "China-Ware". Wie wäre es mit "Europa-Ware chinesischer Herkunft"? Denn die Abwertung steckt in dem Fall in der Zielgruppe, nicht in der Herkunft. Aber vielleicht tut sie das ja in Wohlstandsgesellschaften (und die sind wir immer noch) sowieso immer?

Uff - was für ein Wort zum Sonntag ...

Jade
Eleonore
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Eleonore

 ·  #9
Danke für Eure spannende Beiträge! Und die verschiedenen Perspektiven!

Ja, Sparen hilft niemandem beim reich werden.

Vor einigen Jahren habe ich davon gelesen, dass viele auch von "Neo-Biedermeier" sprechen. Zurück ins Kämmerlein, nur die seinen (das neo daran ist wohl auch, das Familie kein wichtiges Kriterium mehr ist).
Ist natürlich blöd für den Solidäritätsstaat, wenn es Solidarität kaum mehr gibt, wenn viele meinen per Geburt Anspruch auf Stütze zu haben ("habe ich mir verdient").

Okay, aber es gibt doch auch andere? Oder?
Aus Deinem Einwand, Ulrich, hör ich auch raus, dass es eine Veränderung des Einzelhandels ist und die trägt ja jede und jeder von uns mit?!?
Also wieder hin zum Metzger (habt ihr noch einen im Umkreis), mal nicht bei einer Supermarkt-Kette kaufen, Obst und Gemüse vom Bauern und zum Urlaub in den Harz, an die Ostsee, etc.

@ Jade - Wohlstandsgesellschaft will Billig-Produkte, also Kleinpreis zum Kleinwert??
Oder sind es nur sonderbare Wertverschiebungen, wofür wie zahlen und wofür nicht?

lieben Gruß,

Eleonore
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 ·  #10
Zitat geschrieben von Eleonore
@ Jade - Wohlstandsgesellschaft will Billig-Produkte, also Kleinpreis zum Kleinwert??
Oder sind es nur sonderbare Wertverschiebungen, wofür wie zahlen und wofür nicht?


Guten Morgen, Eleonore,

ich wollte viel weniger (?) und hatte den Begriff in einen anderen Kontext gestellt, weil es mir um die Wirkung von Worten auf das Begreifen ging. Man könnte es also vielleicht auch so herum formulieren: Wenn die Wohlstandsgesellschaft die Zielgruppe eines Angebots ist, steigt die Wahrscheinlichkeit, das der Begriff "Wert" noch manipulierbarer ist als sonst, weil nicht Notwendigkeit, sondern nur noch die temporäre Sozialfunktion (Schein, Neid, Image, Prestige, Wirkung) ihn reguliert (den Begriff, nicht den Wert). Darum präzisiert es Warengruppenbegriffe mehr, wenn man die Zielgruppe in den Begriff integriert als die Nennung der Herkunft. Geizistgeilkundenware trifft es schlicht genauer als China-Ware. Denn diese Ware bleibt gleich, auch wenn sie morgen aus Afrika kommt, so dass "China" als Definierendes ungeeignet ist. WIR sind es, die sie wollen und die immer noch versuchen, den Einkaufspreis in Billiglohnländern noch mehr zu drücken.

Mit der Wertverschiebung triffst Du es ja in einem weiteren Kontext genau. Oder wie der verehrte Georg Schramm sagen würde: Himmel, wo kämen wir hin, wenn die Menschen ab morgen das Handy nur noch zum Telefonieren benutzen würden?! Der Aufschwung würde zusammenbrechen ... fast alle Wirtschaftswissenschaftler wären arbeitslos. So kann doch keiner glücklich werden ...

Viele Grüße,
Jade
Ulrich Wehpke
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Ulrich Wehpke

 ·  #11
Hallo Jade,

heute ist auch wieder ein Sonntag. Ich nehme mal an, dass Du weißt was ich gemeint habe, räume auch ein, dass die Bezeichnung dafür nicht ganz korrekt, bzw. vollständig war. Ich korrigiere also gern "China-Ware" in "Billigware aus China". Das trifft den Kern der Sache auch wesentlich besser. Natürlich gibt es in China eine altüberkommene Schmuckkultur mit absolut guten Erzeugnissen. Sie ist jedoch nicht mit dem von mir genannten Schmuck vergleichbar. Immerhin ist bei diesen Stücken die chin. Kultur Grundlage ihres Entstehens und ihres Aussehens gewesen. Kommen derartige Teile jedoch in den Export, werden sie wohl noch für einige Jahre zumindest preislich in der Schublade "China-Schmuck" landen, denn die Herstellungspreise sind nun mal so (z.Zt. jedenfalls noch), dass unsere einheimische Ware dagegen kein Bein auf die Erde bekommt. Während bei der Gruppe der mit Hilfe moderner Maschinen hergestellten Schmucks alle Vorteile (der modernen Verfahren, des Großeinkaufs, der kostengünstigen Verarbeitung usw im eigenen Lande) miteinander kombiniert werden können, existiert der Vorteil der billigen Herstellung auch bei den höherwertigen Erzeugnissen der traditionellen Kunsthandwerker in durchaus bedenklicher Form für die Hersteller in den einzelnen Abnehmerländern.

Nein, nein, das Problem ist durchaus selbstgemacht. Wenn die deutschen Händler nur noch die Hände nach vermeintlichen Schnäppchen ausstrecken, dann landen sie automatisch bei asiatischen Herstellern. Das ist nun mal so, und dafür kann kein Asiate etwas. Wenn es ihnen darüber vollkommen egal ist was aus unseren Arbeitsplätzen wird, und sie ausschließlich unter den Gesichtspunkten der Gewinnmaximierung handeln, dann hat das nun mal die etspechenden Folgen. Da der deutsche Käufer in absolut selbstvernichtender Manier mitspielt, bekommt auf Dauer jeder die ihm zustehende Quittung. Die Schuld an der Misere liegt also voll und ganz bei uns selbst.

"Leider" sind die chin. Erzeugnisse in vielen Bereichen viel besser als ihr Ruf. Dadurch dass sie unvergleichlich billig produziert und verkauft werden, ist eine unselige Entwicklung in Gang gekommen. Die Rohstoffe werden weltweit in unvorstellbarer Form vernichtet, der Energiehunger ist maßlos, Rohstffpreise exolodieren, Spekulanten reiben sich die Hände. In China beispielsweise, wird nicht nur das größte Kohlekraftwerk der Welt gebaut, sondern die Koheimporte sollen um etwa 1750 % (!) erhöht werden. Gleichzeitig brennen chinesische Kohlefelder unterirdisch in einem Gebiet das wahrscheinlich größer ist, als die Fläche Nordrhein-Westfalens. An Löschen denkt niemand. Ich weiß auch gar nicht ob es möglich ist. Allein die diesen Steinkohlebränden resultierende Umweltbelastung ist höher als die gesamte Belastung der Welt durch amerikanische und europäische Autoabgase!

Ich meine, dass man entschieden mehr Wert auf Qualität als auf den Preis legen müsste. Die Hersteller trifft dabei die kleinere Schuld, die wahren Schuldigen sind die Konsumenten und die Importeure mit ihren Werbeagenturen und die Börsen in den Industriestaaten, sowie ihre Finanziers. Pass nur mal auf, was demnächst mit den Kohlepreisen geschieht!

Wenn ich also "China-Ware" gesagt habe, dann steht dies in diesem Zsammenhang, der mich, ehrlich gesagt, nicht nur ein wenig besogt macht.

Gruß, Ulrich
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 ·  #12
Zitat geschrieben von Ulrich Wehpke
Wenn ich also "China-Ware" gesagt habe, dann steht dies in diesem Zusammenhang, der mich, ehrlich gesagt, nicht nur ein wenig besorgt macht.


Da sind wir dann schon zwei ...

und ansonsten wollte ich auch nur darauf hinaus, dass die Chinesische finanzielle Oberliga, die genauso rasant wächst wie die Wirtschaft und beileibe keine kleine Schicht mehr ist, bei ihren Goldschmieden ganz anderen Schmuck kauft, nämlich den "echten chinesischen" und nicht den "Export-"Schmuck, egal wie gut er gemacht ist. Wer einmal in ein Schaufenster eines angesehenen Goldschmieds in HongKong oder Shanghai gesehen hat, vergisst den Eindruck nicht so schnell ...
Die Touristen kaufen dort übrigens wenig, sondern viel lieber in den Export-Läden und noch lieber handeln sie den Preis auf Standardware von der Stange herunter (nur damit der Zoll den Preisnachlass dann wieder draufschlägt und das auch gern mal dreifach, wenn man beim Schmuggeln erwischt wird). Ich würde jetzt gern sagen: Das liegt natürlich nur an dem unterschiedlichen kulturbedingten Geschmack ...

Jade
Dagmar
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Dagmar

 ·  #13
Ich meine, dass auch die sogenannte Chinaware eine Existenzberechtigung hat, denn es gibt auch Menschen mit einem kleineren Geldbeutel, die sich aber auch gerne schmücken möchten ohne gleich hunderte von Euro auszugeben.
Ulrich Wehpke
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Ulrich Wehpke

 ·  #14
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 ·  #15
Zitat geschrieben von Ulrich Wehpke
Die dürfen sich dann aber nicht wundern, wenn ihre eigenen Arbeitsplätze wegrationalisiert werden, weils in Asien halt billigter ist


und es könnte auch nicht schaden, darüber nachzudenken, wer den Ring gemacht hat, den man an der Hand trägt, bevor man wieder mal darüber den Kopf schüttelt, dass im Kongo so wenig Kinder lesen können ...
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