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Werenbach - Uhren aus Raketenstahl

Eine Raketenuhr für's Handgelenk? Klingt wie eine an den Haaren herbeigezogene Marketing-Story. Doch der Schweizer Patrick Hohmann brachte vor einiger Zeit gemeinsam mit Freunden und externen Experten absolut authentische Raketenuhren auf den Markt - mit Gehäusen aus Aluminium und Stahl von russischen Sojusraketen. Wir wollten wissen, wie Patrick Hohmann und seine Zeitmesser der Marke "Werenbach" ticken - und trafen ihn in Zürich.

Ein Besuch der weltweit führenden Uhrenmesse Baselworld rief in den vergangenen Jahren bei Freunden und Sammlern edler und ausgefallener Zeitmesser immer öfter Déjà-vu-Erlebnisse hervor: Alles schon mal da gewesen. Mitunter gewinnt man den Eindruck, die Uhren-Designer griffen immer tiefer in die Archive ihrer Kreativität. Mal ist der Retro-Look angesagt, mal erwecken manche Uhren den Eindruck, sie seien im Tiefenrausch der Sinne entstanden. Und daneben gibt es die übliche "Hausmannskost" aus der Designer-Küche: Fliegeruhren, Taucheruhren, Rallyeuhren. Dabei finden nur die wenigsten Fliegeruhren den Weg ans Handgelenk eines Piloten, und die Taucheruhren kommen selten über einen Einsatz im Hotelpool hinaus.

Der Zürcher Patrick Hohmann träumte von einer ganz anderen, einer authentischen Uhr mit einer wahren Geschichte und keiner aufgesetzten Marketing-Story. Die Idee hatte er beim Joggen am Werenbach in Zürich. Hohmann liebt seine Omega Speedmaster, auch als Monduhr bekannt. Tatsächlich trug Neil Armstrong, der erste Mann auf dem Mond, 1969 einen solchen Zeitmesser der Schweizer Traditionsmarke. Seither profitiert diese Uhr von diesem Nimbus, wenngleich die zeitgenössischen Modelle nichts mehr mit Weltraum-Abenteuer gemein haben. Hohmann dachte an eine Uhr, die ganz unmittelbar mit der Weltraumfahrt zusammenhängen sollte. Und zwar jedes einzelne Exemplar. So reifte in ihm die Idee, einen Zeitmesser zu bauen, dessen Gehäuse aus Raketen-Aluminium und -Stahl besteht.

Die Idee kam am Werenbach

Wie kommt man auf eine so verrückte Idee? Und vor allem: Wie setzt man sie um? Neugierig geworden, besuchten wir Patrick Hohmann in seinem Mini-Atelier am Zürcher Limmatquai und ließen uns zeigen, was aus der einstigen Jogging-Idee geworden ist: elegante Dreizeiger-Uhren und Chronographen aus aufwändig veredeltem Raketen-Abfall. Ob all jene, die das ganze Projekt von vornherein für eine verrückte Schnapsidee hielten, nun immer noch so denken? Falls ja, sei an eine Erkenntnis von George Bernard Shaw erinnert, der einmal goldrichtig feststellte: "Was wir brauchen, sind ein paar verrückte Leute - seht Euch an, wohin uns die Normalen gebracht haben!"

Die Verwirklichung des Traums von einer Raketenuhr fiel für Patrick Hohmann in eine äußerst turbulente Zeit. Er hatte einen guten Job in Bern aufgegeben, um die Nachfolge seines unternehmerisch tätigen Vaters anzutreten. Dazu ist es nicht gekommen. Eine denkbar schlechte Zeit, um teure Träume mit ungewissem Ausgang zu verwirklichen. Obwohl dem Zürcher immer wieder Zweifel kamen, glaubte er doch letztlich an sein Projekt, nicht zuletzt wohl, weil ihn seine Freunde darin bestärkten. Über den Schweizer Filmproduzenten und Regisseur Christian Frey kam Hohmann in Kontakt mit Raketenmetall- und Lizenzhändlern im fernen Kasachstan. Im Süden des Landes, rund 200 Kilometer östlich vom Nördlichen Aralsee, befindet sich die Stadt Baikonur, die unter russischer Verwaltung steht und wegen des dortigen Weltraumbahnhofs weltweit bekannt ist. Seit 1957 starten alle russischen Weltraum-Missionen in Baikonur. Nach jedem Start werden in einer bestimmten Höhe Teile der Sojus-Rakete abgesprengt, die dann irgendwo im kasachischen Niemandsland niedergehen. Und genau aus diesen abgesprengten Raketenteilen wollte Patrick Hohmann seine Uhrengehäuse herstellen lassen.

"Eines Tages packte ich spontan die Koffer und flog mit Freunden von Frankfurt aus in die kasachische Hauptstadt Astana", berichtet Hohmann, der über seine damaligen Abenteuer inzwischen ein Buch geschrieben hat ("Werenbachs Uhr"). Von dort ging es weiter durch die halbe einstige Sowjetrepublik, um schließlich mit den Metallhändlern in Kontakt zu kommen. Mehr als einmal stand das Projekt auf der Kippe. Die abgesprengten Raketenteile werden in einem streng bewachten, militärischen Sperrgebiet aufbewahrt, zu dem nur ein einziger Metallhändler Zugang hat. "Die Verhandlungen verliefen außerordentlich zäh und langwierig", erinnert sich Hohmann. "Unterschiedliche Usancen, die Sprachbarriere, Bürokratie und das russische Misstrauen gegenüber unserer scheinbar verrückten Idee erwiesen sich als schwierige Hürden". Und als der Deal dann endlich unter Dach und Fach war, musste das Metall mit dem Lkw Tausende von Kilometern von Kasachstan in die Schweiz transportiert werden.

Hohe Hürden überwunden

Hinzu kam, dass längst nicht jedes Raketenmetall geeignet ist, um daraus Uhrengehäuse zu fertigen. "Wir können nur das Metall der ehemaligen Wasserstoff-Dampfturbinen, also des Antriebelements der Rakete, verwenden, das in einer Höhe von 50 Kilometern abgeworfen wird", berichtet uns Hohmann. Nach NASA-Lesart beginnt in 50 Kilometern Entfernung von der Erde zwar noch nicht der Weltraum, "aber die abgeworfenen Raketenteile haben zumindest daran gekratzt", sagt Patrick Hohmann augenzwinkernd. Und außerdem: 50 Kilometer, das ist deutlich mehr als jene knapp 40 Kilometer, aus denen Felix Baumgartner im Rahmen seines Red Bull Stratos-Projekt in die Tiefe sprang und in atemberaubendem Tempo der Erde entgegen flog.

Doch mit dem Kauf des Raketenmetalls und dem Transport in die Schweiz waren längst nicht alle Probleme gelöst. "Für Raketen wird natürlich sehr hitzebeständiger Stahl verwendet. Das heißt, er enthält viel Kohlenstoff, was wiederum dazu führt, dass der Stahl oxidiert. Wir mussten also den Kohlenstoff gleichsam herausnehmen und neue Legierungen anfertigen, um das Material rostfrei zu machen. Lange suchten wir zum Beispiel, bis wir einen renommierten Metallurgie-Experten fanden, der in Zusammenarbeit mit einer deutschen Universität zwei komplett neue Aufbereitungsverfahren entwickelte. So haben wir eigene Legierungen entwickelt, die bis dahin nicht auf dem Markt waren, und sich durch Härte und Korrosionsbeständigkeit auszeichnen", berichtet uns Jungunternehmer Hohmann.

Hohmann und seine Freunde, die allesamt keine Uhrenexperten waren, brauchten in dieser Phase erfahrene Fachleute als Partner. Relativ früh wurde bereits ein Uhrendesigner eingebunden. Mit der Herstellung der Uhrengehäuse beauftragte man ein renommiertes Unternehmen in Deutschland. Die Zifferblätter kommen aus der Schweiz, die Armbänder entstehen in Handarbeit in Frankreich und Deutschland.

Raketenuhren mit Schweizer Antrieb

Angetrieben werden die Raketenuhren von bewährten Eta-Kalibern. Im Inneren der Dreizeigeruhr tickt das Automatikkaliber Eta 2892-A2, in den Chonographen das bekannte Eta Valjoux 7750, beide mit individuellen Werenbach-Rotoren ausgestattet. "Wir können als Mini-Marke natürlich keine Manufaktur-Werke bauen. Wir verwenden aber Schweizer Kaliber, die in vielen Jahren millionenfach produziert wurden und auch in vielen großen Marken ticken. Das Valjoux 7750 ist ein ausgesprochener Traktor, genauso robust und zuverlässig wie die Sojus-Rakate", sagt Hohmann.

Zusammengebaut werden die Raketenuhren in dem kleinen Zürcher Atelier. Das reicht aus, so lange die Stückzahlen noch gering sind. Mittel- bis längerfristig will Hohmann aber deutlich mehr Uhren der Marke "Werenbach" auf den Markt bringen und einen professionellen Vertrieb aufbauen. Auch an eine Erweiterung seiner aus Aluminium- und Stahlmodellen bestehenden Kollektion denkt Hohmann.

Die aufwändige Verarbeitung des Raketenmetalls sowie die geringe Stückzahlen führen dazu, dass die Werenbach-Uhren durchaus schon in einem etwas gehobenen Preissegment zwischen 4900 und 8400 Franken angesiedelt sind. Dafür erwirbt der Käufer dann das fast schon überirdische Gefühl, eine echte Raketenuhr am Handgelenk zu tragen.

Immerhin haben Werenbach-Uhren mittlerweile einige Stresstests der besonderen Art überstanden. So trug ein Motorradfahrer, der in 16 Tagen (!) die Welt umrundete, eine "Werenbach" am Handgelenk. Und sogar zwei recht bekannte Astronauten nennen inzwischen eine Raketenuhr aus Zürich ihr Eigen.

Michael Brückner
Bilder: Werenbach

Archivbeitrag 16.12.2014
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