Artikel Übersicht
Sie befinden sich im Benutzerbereich unseres Archivs.

Cimier, Baar (CH) - Erfolgreiches Revival einer Traditionsmarke

Was braucht man, um einer Uhrenmarke, die seit beinahe zwei Jahrzehnten nicht mehr existierte, zu einer Renaissance erster Klasse zu verhelfen? Sicher unternehmerischen Mut, ein schlüssiges Konzept, gute Ideen, detaillierte Marktkenntnisse und jede Menge Selbstvertrauen. Aber damit ist es in der Regel nicht getan. Hinzu kommen muss ein Stück sympathischer Verrücktheit, das passionierte Uhrensammler und Uhrenbauer vereint. All dies war bei Cimier vorhanden.

Natürlich braucht heutzutage niemand mehr eine mechanische Uhr, nur um zu wissen, wie spät es ist. Ebenso besteht keine zwingende wirtschaftliche Notwendigkeit, eine vor vielen Jahren untergegangene Marke wiederzubeleben, zumal die Vielzahl von Uhrenherstellern, Manufakturen und Ateliers kaum noch überschaubar ist. Den offenbar sehr aufnahmebereiten Markt teilen sich börsennotierte Luxusgüterkonzerne, mittelständische Familienunternehmen und kreative Tüftler, die als "Einzelkämpfer" pro Jahr nur ein paar Dutzend Zeitmesser herstellen.

Aber was immer Wissenschaftler auch postulieren mögen, der reine Homo oeconomicus, also der vernunftgesteuerte Wirtschaftsmensch, bleibt eine Ausnahme. Zumal dann, wenn es um ein hoch emotionales Produkt wie Uhren geht. Martin Bärtsch kennt das. Ihn treibt seit vielen Jahren die Faszination für Uhren an - privat ebenso wie beruflich. Viel Branchen-Know-how sammelte er als Geschäftsleitungsmitglied von Maurice Lacroix in Zürich. Gleichzeitig wuchs sein Wunsch nach beruflicher Selbstständigkeit. Wer ein solches Ziel erreichen möchte, hat in aller Regel nur zwei Möglichkeiten: Entweder, er gründet eine neue Uhrenmarke, oder er revitalisiert eine nicht mehr existierende Marke, die noch einen guten Klang hat und dank langer Tradition vielen Freunden außergewöhnlicher Zeitmesser ein Begriff ist. Martin Bärtsch entschied sich für den zweiten Weg - und nahm die 1985 untergegangene Marke Cimier ins Visier. "Mir war klar, dass Cimier beste Chancen hat, an die alte Erfolgsgeschichte anzuknüpfen", erinnert sich Bärtsch an seine damaligen Entscheidungsprozesse. Im Jahr 2003 - und damit nicht eben in einem prosperierenden konjunkturellen Umfeld - ging der Jungunternehmer in der Schweizer Stadt Zug an den Start und hauchte der Marke Cimier neues Leben ein.

Uhrenkennern, die sich nicht nur für zeitgenössische Modelle, sondern vor allem auch für Vintage-Zeitmesser interessieren, braucht man diese Marke nicht vorzustellen. Cimier wurde im Jahr 1924 vom Uhrmachermeister R. Lapanouse im Kanton Baselland aus der Taufe gehoben. Das Familienunternehmen firmierte unter "Joseph Lapanouse SA", seine tickenden Erzeugnisse kamen unter dem Markennamen Cimier auf den Markt, was im Französischen so viel wie Helmschmuck bedeutet. Und da Traditionspflege vor allem Liebe zum Detail verlangt, wird das Logo der heutigen Marke Cimier von drei stilisierten Federn gekrönt, wie man sie sich früher vielerorts an den Helm steckte. Vom späteren Unternehmenssitz in Bubendorf aus eroberte Cimier die wichtigsten Märkte rund um die Welt. Bis zu 1,5 Millionen Zeitmesser verkaufte das Unternehmen in guten Jahren. Der Schwerpunkt lag auf der Produktion von robusten und preislich attraktiven Roskopf-Uhren. Der Name geht zurück auf den 1813 im deutschen Lörrach geborenen Uhrmacher Georg Friedrich Roskopf, der später im schweizerischen La Chaux-de-Fonds Taschenuhren mit einem vereinfachten Räderwerk und einer aus einem Ankerkörper und zwei Hebelstiften bestehenden Hemmung baute. Er schuf damit die Grundlage für die spätere Serienproduktion von preiswerten, gleichwohl aber sehr zuverlässigen Zeitmessern. Durch die Herstellung von Roskopf-Uhren ermöglichte es Cimier vielen Kunden in aller Welt, langlebige mechanische Produkte aus der Schweiz zu erschwinglichen Preisen zu erstehen. Es waren denn auch keine wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die im Jahr 1985 zum vorläufigen Aus der Firma Cimier führten, sondern Unstimmigkeiten in der Besitzerfamilie. Buchstäblich von einem Tag auf den anderen wurde die Firma stillgelegt und der Maschinenpark verkauft.

In den folgenden Jahren waren nur noch ältere Cimier-Modelle bei Vintage-Händlern oder im Internet erhältlich. Interessant in erster Linie für Nostalgiker oder Hard-core-Fans, die dieser Marke sogar viele Jahre nach ihrem Ende die Treue hielten. Ohne Frage steht Cimier aber für ein Stück Schweizer Uhrengeschichte.

Neubeginn als "One-Man-Show"

Dass heute wieder neue Modelle von Cimier bei den Juwelieren und in der Cimier-Boutique in Zürich erhältlich sind, ist die Folge der spontanen Entschlussfreude von Martin Bärtsch: "Ich entschied mich sozusagen über Nacht, diese Aufgabe anzunehmen. Und ich habe es nie bereut", versichert der Gründer und Geschäftsführer der Firma Cimier Swiss Watches, die seit 2009 ihren Sitz im Städtchen Baar in der Nähe von Zug und nicht allzu weit entfernt von Zürich hat. "Am Anfang handelte es sich um eine One-Man-Show", erinnert sich Bärtsch. Er habe sich damals in den eher bescheidenen Geschäftsräumen in Zug beinahe um alles selbst gekümmert. Sogar die Verpackung der Uhren vor dem Versand gehörte zum Aufgabenbereich des Chefs. Seither hat sich viel getan: Heute stellt das Unternehmen wieder jährlich rund 30.000 Uhren her und beschäftigt an den Standorten Baar und Losone (Tessin) 20 Personen. Seinen Hauptsitz hat Cimier Swiss Watches in den lichtdurchfluteten Loft-Räumen in einer ehemaligen Spinnerei in Baar.

Als die frühere Marke Cimier noch Roskopf-Uhren produzierte, war die Sache klar: Die Zeitmesser wurden überwiegend im günstigen Preissegment positioniert. Doch welcher Strategie folgt das neue Unternehmen - in einer Zeit, da die Freunde mechanischer Armbanduhren, von denen es weltweit heute wohl mehr gibt denn je, erkennbar anspruchsvoller geworden sind? "Unsere Uhren haben wir im Mittelpreisbereich angesiedelt. Wir setzen nicht auf das Billigsegment, aber ebenso wenig sehen wir uns als Hersteller von Luxusuhren im hohen vier- oder gar fünfstelligen Bereich", erläutert Martin Bärtsch. Das heißt im Klartext: Eine mechanische Cimier bekommt man für weniger als 1.000 Euro, für eines der "Flaggschiffe" muss der Käufer knapp 4.000 Euro investieren. Die Quarzmodelle, zu denen sich Bärtsch selbstbewusst bekennt ("Sehr gute Qualität, markantes, sportliches Design") sind naturgemäß günstiger zu haben.

"Immer mehr Verbraucher und Uhrenfreunde achten auf ein faires Verhältnis von Preis und Leistung. Sogar auf dem russischen Markt ist man vielfach nicht mehr bereit, jeden Preis zu zahlen. Diese Sensibilität kommt uns zugute", sagt Martin Bärtsch. Für eine Uhr im mittleren Preissegment darf man natürlich keine Manufakturwerke verlangen. Angetrieben werden die mechanischen Cimier-Uhren daher von den ETA-Klassikern "2824" und "2836". In den Chronographen tickt mit dem Valjoux 7750 ebenfalls ein seit vielen Jahren bewährtes Schweizer Kaliber. Diese Werke werden von Cimier nicht nur optisch veredelt, teilweise erhalten sie zusätzliche Module. Oder aber, sie werden etwas atypisch umgerüstet. Zu diesen Leckerbissen gehört die auf der Baselworld 2011 vorgestellte "BIGMatic 16 ½ Zoll". Für diese Uhr wird das bekannte Handaufzugswerk Unitas 6497-1 verwendet. Allerdings rüsten es die Uhrmacher von Cimier zu einem Automatikkaliber um und bauen eine neuentwickelte Aufzugsfeder ein, wodurch sich die Gangreserve von 46 auf 53 Stunden erhöht. Die Uhr in einem 43 Millimeter großen Edelstahlgehäuse gibt es mit und ohne schwarzer PVD-Beschichtung. Die schwarze Variante mit der blauen "12" auf dem Zifferblatt ist auf 200 Exemplare limitiert. Bei Redaktionsschluss des vorliegenden Buches kostete die BIGMatic 16 ½ Zoll zwischen 3.650 und knapp 4.000 Euro - aktuell das High end-Produkt der Marke.

BICMatic 16 ½ Zoll mit Handaufzug-Kaliber, zur Automatik umgebaut

Spirit of Baar: Geist, Temperament und Seele

Oft schon bekam Martin Bärtsch die Frage gestellt, weshalb sich der Hauptsitz von Cimier im Zugerland und nicht etwa in Genf, Schaffhausen oder La Chaux-de-Fonds befinde. Tatsächlich gehören werde Zug noch das nur wenige Minuten entfernte Baar zu den Epizentren helvetischer Horlogerie. Mitunter gewinnt man den Eindruck, Cimier habe den Standort zum Teil seiner Markenphilosophie gemacht. Immerhin: Die mechanischen Einstiegsmodelle tragen den Namen "Spirit of Baar". Was macht den "Spirit" dieser knapp 23.000 Einwohner zählenden Stadt an der Lorze aus? Bei Cimier weiß man die Antwort: "Geist, Temperament und Seele. Hier finden wir Motivation und Inspiration".

Die Uhr, die den Namen dieses Städtchens trägt, ist mit einem mechanischen ETA-Werk 2836-2 ausgestattet. Es tickt in einem quadratischen Gehäuse mit sanft gerundeten Ecken (51 x 42 Millimeter). Eine elegant-sportliche Dreizeigeruhr mit zusätzlicher Daydate-Anzeige.

Zu den bekanntesten Uhren der Marke Cimier dürfte derweil die Modellreihe "Seven Seas" gehören. Die "Blue Marlin", benannt nach dem gleichnamigen Halbtaucherschiff, ist ein automatischer Zeitmesser mit einem ETA 2824-2-Kaliber. Zum betont sportlichen Aussehen trägt nicht zuletzt die beidseitig drehbare Lünette bei, durch die dieses Modell über eine zweite Zeitzone verfügt. Im Jahr 2011 lancierte Cimier zudem die Seven Seas Blue Marlin Day Date mit dem Kaliber 2836-2 und Cimier-eigener Finissage. Wochentag und Datum sind übereinander bei "6 Uhr" positioniert. Mit Edelstahlband kostete diese Uhr im Jahr 2011 etwas mehr als 1.000 Euro, mit Lederband ausgerüstet, ist sie etwas günstiger zu haben.

Das optisch markanteste Modell ist sicher der Chronograph Seven Seas Barracuda, ausgestattet mit einem Valjoux 7750-Werk. Die schwarz-silberne Lünette und das rote Aquaband geben dieser Uhr ein betont sportliches Aussehen. Das Zifferblatt mit drei Hilfszifferblättern bei "12-Uhr", "6-Uhr" und "9-Uhr" sowie einer Daydate-Anzeige bei "3-Uhr" hinterlässt einen symmetrischen und ausgewogenen Eindruck. Zweifellos ein Hingucker, aber weit davon entfernt, ein "Protz-Ticker" zu sein. Ebenfalls ein optisches Highlight ist der Chrono Seven Seas Sextett mit einer zusätzlichen Gangreserveanzeige.

Ergänzt wird die mittlerweile schon recht umfassende Kollektion von weiteren Handaufzugsuhren mit Unitas-Werken, darunter die Petite Seconde mit ihrem asymmetrischen Zifferblatt, sowie einer Reihe von hochwertigen Quarzuhren, wozu etwa der Winglet Chrono mit dem Schweizer Quarzwerk Ronda 5050 B und die Golfuhr "Birdie" zählen. Auffallend breit fällt darüber hinaus die Damenuhren-Kollektion aus. Sie ist mehr als nur ein "Add-on" und steht gleichberechtigt neben den Herrenuhren.

"Bei allen Modellen legen wir gleichermaßen Wert auf Schweizer Qualität und eine eigene Designsprache. Wir möchten kein anderes Design kopieren, sondern unseren eigenen, im besten Fall unverkennbaren Charakter haben", erläutert Martin Bärtsch die Strategie des Unternehmens. Daneben wolle Cimier Innovationskraft und uhrmacherisches Know-how beweisen, indem man die ETA-Grundwerke modifiziere. Ein gutes Beispiel hierfür ist der erwähnte Umbau eines Unitas-Kalibers zu einem Automatikwerk.

Dass die immer größer werdende Gemeinde von Uhrenfreunden und -sammlern in Teilbereichen sehr unterschiedlicher Meinung ist, dürfte hinlänglich bekannt sein. Dabei geht es freilich nicht nur um die Frage, welche Komplikationen wirklich Sinn machen, oder ob Handaufzugsuhren den Automatik-Modellen vorzuziehen seien. Sogar über die Marketingstrategien einzelner Hersteller gibt es unter den Aficionados höchst unterschiedliche Ansichten. Zum Beispiel, wenn es um den Einsatz sogenannter Markenbotschafter geht. Namhafte und erfolgreiche Persönlichkeiten, die für ganz bestimmte Qualitäten und Charaktereigenschaften stünden, seien wichtig, um den Markenkern eines Produkts aufzuladen. Das sagen die einen. Die besten und authentischsten Markenbotschafter blieben zufriedene Kunden, die am Ende zu wahren Fans der Marke würden, halten die anderen dagegen.

Darüber lässt sich trefflich streiten. Cimier jedenfalls unterstreicht das sportliche Image der Marke mit einer Reihe von entsprechenden Markenbotschaftern. Dazu zählt etwa die Schweizer Eiskunstläuferin Sarah Meier, die Ende Januar 2011 in Bern für viele überraschend den Europameister-Titel holte. Oder der Schweizer Fußballschiedsrichter Massimo Busacca, der sich im Jahr 2009 mit dem Titel "Welt-Schiedsrichter" schmücken durfte und auch bei der WM 2010 in Südafrika dabei war.

Ob diese "Botschafter" allerdings jemals ein so inniges Verhältnis zu ihren Uhren entwickeln können wie Sammler aus Leidenschaft, bleibt dahin gestellt. Martin Bärtsch jedenfalls scheint diese Leidenschaft gut zu kennen: "Nicht nur die Technik einer Uhr zählt, sondern gleichermaßen die Emotion, die diese bei ihrem Träger auszulösen vermag". Der Cimier-Chef spricht von der Faszination der Zeit. Und dieser Slogan gehört konsequenterweise zum Firmenlogo. Ganz praktisch nachempfinden kann man diese Faszination übrigens, indem man sich zur "Watch Academy" anmeldet und im Uhrenatelier in Baar seine eigene Cimier zusammenbaut. Wer seine eigene Uhr zum Ticken gebracht hat, wird zu einem "Botschafter" der ganz besonderen Art.

Archivbeitrag 05.12.2011
Aus unserem Shop


Empfohlen von Kathrin
Schmuck
Uhren