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RHL Perfect Time, Herrieden | Chronographen mit dem Charme der Seventies

Mit Gehäusen, Zifferblättern und Zeigern aus längst vergangenen Zeiten fertigt Rudi Horlacher Uhren im angesagten Retro-Design der 1970er Jahre. Am Anfang jedoch stand ein ganz besonderer Chronograph, von dem nur sehr wenige Exemplare auf den Markt gekommen sind. Die Besitzer kennt Horlacher denn auch alle persönlich.

Jedes Jahrzehnt verknüpft sich im Rückblick mit einem ganz bestimmten Lebensgefühl. Die 1950 und 1960er Jahre zum Beispiel standen in Deutschland im Zeichen des vielbestaunten Wirtschaftswunders. Auch Durchschnittsverdiener konnten sich einen bescheidenen Wohlstand leisten - den Fernseher im Wohnzimmer zum Beispiel, einen Kleinwagen und die ersten Urlaubsreisen ins Ausland. In den 1970er Jahren hingegen war das Lebensgefühl besonders intensiv. Es war eine wilde, farbenfrohe Dekade. Einer der bekanntesten Werbeträger der damaligen Zeit dürfte das zappelige HB-Männchen gewesen sein, das bei jeder Aufregung in die Luft ging und erst wieder bei einer Zigarette entspannte. An den Küchenfliesen klebten kunterbunte Pril-Blumen, im Sommer erfrischte man sich mit einem Tri-Top-Drink, auf den Straßen dominierte der allseits geschätzte VW-Käfer. In München wurden die Olympischen Spiele ausgetragen, Deutschland wurde Fußballweltmeister. Willy Brandt musste wegen der Affäre um den DDR-Spion Günter Guillaume zurücktreten, sein Nachfolger wurde Helmut Schmidt. Die 1970er Jahre - sie standen aber auch für Terror und Ölkrise. Alles in allem also äußerst ambivalente Zeiten. Und trotzdem denken viele der heute 50- bis 60jährigen gern an diese Dekade zurück. Kein Wunder, immerhin prägte diese Zeit ihre Jugend und den Beginn ihrer beruflichen Karriere. Für manchen haben die "Siebziger" schon Kultstatus.

Überdies standen die 1970er Jahre für ein charakteristisches Design, in dem sich neue Technologien und Zukunftsgläubigkeit widerspiegelten. Immerhin war die Mondlandung in bester Erinnerung. Seit einigen Jahren erlebt nun das "Seventies Design" auf den Wogen der Retro-Welle ein vielbeachtetes Comeback.

Vielleicht ahnte Rudi Horlacher schon früh, dass es in der Uhrenbranche nach all den Design-Exaltationen der jüngsten Vergangenheit so etwas wie eine nostalgische Sehnsucht geben könnte. Jedenfalls griff der Uhrmacher aus dem mittelfränkischen Herrieden, zwischen Feuchtwangen und Nürnberg gelegen, kurzentschlossen zu, als man ihm vor geraumer Zeit eine ganze Kiste mit Schweizer Uhrengehäusen aus den 1970er Jahren zum Kauf anbot. "Ich erinnerte mich, dass bekannte Markenuhren wie Omega und Heuer damals in Gehäusen mit ähnlichem Design auf den Markt kamen", berichtet Horlacher, der im Übrigen Wert darauf legt, dass die Uhren nicht nur sein Beruf, sondern gleichermaßen seine Leidenschaft sind. Er beschäftigt sich seit 1975 mit Zeitmessern. Es darf also vermutet werden, dass er sich noch ziemlich genau an das Design der damaligen Uhren erinnert. Zunächst beschränkte sich Rudi Horlacher auf Reparaturen, später handelte er mit hochwertigen Luxusuhren. Auf diese Weise baute er sich über viele Jahre ein engmaschiges Netzwerk zur Branche und zu einer Vielzahl von Uhrenfreunden auf. Sein kleines Atelier liegt versteckt im Stadtteil Lattenbuch - sogar manches Navigationsgerät erweist sich da als überfordert. Dennoch wird diese Adresse von Uhrenfreunden hoch geschätzt.

Der Start der eigenen Marke

Anfang des Jahres 2009 ließ Horlacher dann seine eigene Marke RHL Perfect Time eintragen, unter der er heute Uhren zu Preisen zwischen 399 und 1850 Euro fertigt und im Direktvertrieb verkauft. Retro-Modelle spielen dabei eine wichtige Rolle, doch begonnen hat die Geschichte mit einem ganz besonderen Wunsch eines ganz besonderen Kunden.

Zu Horlachers Freunden gehört Michael Lunz, Inhaber des ebenfalls in Herrieden ansässigen Unternehmens BELUWO, das Uhrenbeweger der Extra-Klasse herstellt. Lunz arbeitet mit bedeutenden Uhrenherstellern und -manufakturen zusammen. Oft ist er auch persönlich vor Ort, was hin und wieder zu Gewissenskonflikten führte. Was tun, wenn man einen Hersteller besucht, aber keine Uhr dieser Marke besitzt? Ein Konkurrenzprodukt tragen? Das könnte bei empfindlichen Zeitgenossen als kleiner Affront verstanden werden. Gar keine Uhr tragen? Wird in der Branche nicht überall goutiert. Oder sich Uhren von allen Herstellern zulegen? Das wiederum erforderte ein üppig dotiertes Uhrenbudget.

Michael Lunz suchte nach einer pragmatischen Lösung und setzte sich mit seinem Freund Rudi Horlacher zusammen. Herausgekommen ist als Ergebnis dieses Brainstormings ein eigener BELUWO-Chronograph - eine ganz individuelle, neutrale Marke, die Michael Lunz bei allen Kunden mit bestem Gewissen tragen kann. Zwar sollte es nicht bei einem Unikat bleiben, doch limitierte Horlacher diesen Luxus-Chronographen konsequent auf zehn Exemplare, von denen aktuell nur noch wenige verfügbar sind. Horlacher weiß sehr genau, wer die Träger seiner BELUWO "Chrono one" sind, die gleichsam das Flaggschiff des kleinen Uhrenateliers darstellen und mit einem Preis von 1850 Euro die Spitze der RHL-Kollektion markieren.

Auf der ersten Munichtime lernte Horlacher den Uhrmachermeister Stefan Kudoke aus Frankfurt an der Oder kennen, der in aufwändiger, in der Regel wochenlanger Handarbeit Uhrwerke skelettiert und graviert. Seine Meisterwerke werden mittlerweile in aller Welt geschätzt. Rudi Horlacher konnte seinen jungen Kollegen gewinnen, das Werk der wenigen BELUWO-Chronographen zu veredeln. Das Ergebnis kann sich im wahrsten Wortsinn sehen lassen: Das Valjoux 7750-Werk ist teilskelettiert und Rothium-beschichtet. Perlierte Brücken, handpolierte Schrauben und der markant in den Rotor gefräste Namen BELUWO machen - zusammen mit dem galvanisierten Zifferblatt mit Daydate-Anzeige - diesen Chronographen optisch und technisch zu einem kleinen Leckerbissen, der den Preis rechtfertigt. Saphirglas über dem Zifferblatt ist ebenso selbstverständlich wie eine Faltschließe aus Edelstahl.

Obwohl dieser Luxus-Chrono beinahe ausverkauft ist, weiß Rudi Horlacher, dass er den Schwerpunkt seiner Marke anders setzen muss: "Den BELUWO-Chrono haben Uhrenkenner gekauft, denen es mehr auf Individualität als auf einen großen Markennamen ankommt. Aber die meisten Uhrenkäufer, die beinahe 2000 Euro investieren, dürften sich schon aus Prestigegründen für einen der bekannten Namen aus der Schweiz oder Glashütte entscheiden". Kern seiner jungen Marke RHL seien daher gute mechanische Uhren zu bezahlbaren Preisen mit Schweizer Technik und soliden Gehäusen. "Bezahlbar" bedeutet konkret, dass es den günstigsten RHL-Zeitmesser für unter 400 Euro gibt - das Modell Taucher Sport mit einem Eta-Werk 2824-2.

Retro Chrono - bei Oldtimerfans begehrt

Aber auch mit dieser Philosophie steht Horlacher in einem heftigen Wettbewerb. Es gibt noch so manchen anderen Hersteller in Deutschland, der Uhren mit diesem Schweizer Automatikwerk für weniger als 400 Euro verkauft. Also suchte Rudi Horlacher nach einer zündenden Idee, um seiner Kollektion einen besonderen, unverwechselbaren Charakter zu geben. Ihm fiel auf, dass sich die aktuellen Uhrenmodelle in den vergangenen Jahren immer ähnlicher wurden. Daher setzte er auf den Retro-Trend. Immerhin: Eine Kiste mit hochwertigen Gehäusen aus den 1970er Jahren hatte er bereits. "Ich wollte einen Retro Chrono bauen. Doch mit den Gehäusen ist es nicht getan. Ich legte von Anfang an Wert auf Authentizität. Also besorgte ich mir alte Zifferblätter und Zeiger", sagt Horlacher. So entstand ein stilistisch stimmiger Retro-Chronograph, der den Betrachter sofort an die 1970er Jahre erinnert. Das typische Rallye-Lederband mit Löchern gehört ebenso dazu wie Mineralglas. "Natürlich ist Mineralglas preiswerter als Saphirglas. Aber das war nicht das entscheidende Kriterium. Mir ging es bei diesem Detail um Authentizität. In den siebziger Jahren gab es eben kaum Uhren mit Saphirgläsern", erläutert Horlacher. Der nicht zuletzt bei Oldtimerfreunden begehrte und auf 50 Exemplare limitierte Retro Chrono wird von einem Valjoux-Werk 7750 angetrieben. Zum Preis von 698 Euro erhält der Käufer eine Uhr mit bewährtem Schweizer Werk sowie einer Chronographen-Funktion und Daydate-Anzeige.

Ebenfalls den Charme der Nostalgie strahlt der Classic Chrono aus. Das Zifferblatt wirkt durch den Verzicht auf die Daydate-Anzeige und die Beschränkung auf zwei Hilfszifferblätter ruhiger als beim Retro Chrono. Der Durchmesser des Gehäuses ist mit 40 Millimetern etwas geringer. Im Inneren tickt ebenfalls ein Valjoux 7750-Chronographenwerk aus der Schweiz. "Jede der einzeln nummerierten Uhren durchläuft ein 30tägiges RHL-Testprogramm", versichert Rudi Horlacher. "Alle Uhren meiner Marke werden hier in Herrieden entworfen, montiert und gewartet". Billigware aus Asien kommt für ihn nicht in Frage. Dazu will sich Horlacher nicht näher äußern. Aber dieses beredte Schweigen lässt schon ahnen, was er davon hält.

Der Uhrenfan aus Herrieden beschreibt sich als "Einzelkämpfer", der trotzdem, oder gerade deshalb großen Wert legt auf einen eigenen Stil. Er möchte sich von den Zeitmessern der Mitbewerber differenzieren. Dabei hat er sich ein gesundes Maß an Realismus bewahrt: "Ich bin mir natürlich darüber im Klaren, dass ich es als kleiner Hersteller immer schwer haben werde, mich am Markt zu behaupten. Mir fehlen ganz einfach die Marketinginstrumente, um mich bekannt zu machen. Denn um die bezahlen zu können, müsste ich den Preis meiner Uhren deutlich anheben. Aber das erscheint mir ein wenig unfair. Warum soll ein Kunde, der mir sein Vertrauen schenkt und einen RHL-Zeitmesser kauft, mehr Geld bezahlen, nur damit ich mit dem Mehrertrag andere Kunden werben kann?", fragt Rudi Horlacher.

Er setzt stattdessen sozusagen auf "Graswurzel-Marketing". So ist er auf kleinen und mittelgroßen Messen und Präsentationen wie der Munichtime ebenso vertreten wie auf Oldtimertreffen. Die Freunde historischer Fahrzeuge interessierten sich sehr für seinen Retro Chrono, freut sich Horlacher. Und im Übrigen setzt er auf die nicht zu unterschätzende Mund-zu-Mund-Propaganda. Parallel zu seinen RHL-Uhren handelt Horlacher weiterhin mit gebrauchten Luxusuhren der Spitzenklasse, ferner mit Großuhren und Uhrenbewegern. Nach wie vor repariert Horlacher auch mechanische Zeitmesser aller führenden Marken.

Vielleicht wird sich im Zuge dieses "Graswurzel-Marketings" bald die Erkenntnis durchsetzen, dass eine Retro-Uhr letztlich nicht nur die Zeit anzeigt, sondern überdies ein Stück Zeitphilosophie in sich birgt: Die Zeit ist vergänglich, aber das klassisch Schöne bleibt - oder kehrt immer wieder zurück.

Archivbeitrag 28.04.2011
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