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Farbedelsteine: Mythen & Realität

Die Weltkarte der Farbedelsteine ist im wahrsten Sinne des Wortes facettenreich: Die schönsten Rubine kommen aus Vietnam, die faszinierendsten Smaragde aus Brasilien und die schönsten Saphire aus Madagaskar. Der folgende Beitrag liefert überraschende Erkenntnisse.

Das bestechende Rot des Rubins, das geheimnisvolle Violett des Amethysts, der feurige Glanz des Imperial-Topas, das leuchtende Orange des Mandarin-Granats - kaum verwunderlich, dass der Anblick solcher Preziosen viele Menschen geradezu hymnisch stimmt. Zahlreiche Mythen ranken sich denn auch um diese Steine aus dem Innersten der Erde, von denen manche sogar den Wert von Diamanten übertreffen. Doch wie immer, wenn viel Emotionalität im Spiel ist, entstehen Räume für Ungenauigkeiten, die sich in der Mediengesellschaft schnell verbreiten, und die kaum hinterfragt werden, weil manche Geschichten einfach zu schön klingen mögen.

Nur ein paar Beispiele: Vermutlich hat jeder, der sich mit Edelsteinen beschäftigt, schon mal vom sogenannten Burma-Rubin geschwärmt. Der Name bezieht sich auf die Lagerstätten in Burma, dem heutigen Myanmar, einem südostasiatischen Staat am Golf von Bengalen. Tatsächlich gelten Burma-Rubine als besonders wertvoll. Das freilich trifft nicht nur auf Steine aus dieser Provinz zu. "Die besten Rubine kommen derzeit aus Vietnam", weiß Heinz Schiendl, Edelsteinexperte aus Wien. Auch Tansania, Thailand, Madagaskar und Mosambik liefern Rubine von höchster Qualität. Die Bezeichnung Burma-Rubin gibt daher keinen Hinweis auf das Herkunftsland des Steins, vielmehr handelt es sich um eine Art Qualitätsbegriff.

In nicht minder hohem Ansehen stehen Kaschmir-Saphire. Dies bedeutet aber nicht, dass die wirklich hochwertigen Steine allesamt aus dieser Himalaya-Region kommen. Früher mag das zutreffend gewesen sein, immerhin wurden die entsprechenden Lagerstätten in rund 5.000 Metern Höhe bereits ab dem Jahr 1880 ausgebeutet. Nun ist das Vorkommen aber offenkundig erschöpft. Die meisten Saphire von höchster Qualität kommen aus Madagaskar. Aber auch in Brasilien, China, Kambodscha, Nigeria und Zimbabwe gibt es Lagerstätten. Ein weiteres Beispiel: Die angeblich schönsten Smaragde kämen aus Kolumbien, heißt es. Dort gibt es zwar in der Tat entsprechende Lagerstätten - wie etwa die Mine von Chivor, die bereits von den Inkas genutzt wurde. Nichts gegen Smaragde aus Kolumbien, aber die wahrhaft atemberaubenden Steine mit einem funkelnden Grün kommen aus Brasilien. Oft schwärmen Edelstein-Liebhaber vom brasilianischen Aquamarin. Doch stammen die meisten Steine inzwischen aus Pakistan. Wer an Opale denkt, dem kommt Australien in den Sinn. Richtig ist, dass rund 90 Prozent dieser Edelsteine vom "fünften Kontinent" kommen, besonders schöne Varietäten sind aber vor allem in Chile zu finden.

Ein etwas heikles Kapitel stellt die Behandlung von Farbedelsteinen dar. Wohlgemerkt, hier geht es nicht um Fälschungen (die gibt es natürlich ebenfalls in Hülle und Fülle), sondern um eine Optimierung des Steins. Üblich ist es zum Beispiel, Edelsteine zu brennen, um ihre Farbe zu intensivieren. Dieses Verfahren gilt mittlerweile als traditionell, daher muss diese Behandlung nicht ausdrücklich angegeben werden. Aber es gibt von Sammlern sehr geschätzte Ausnahmen. Granate und viele Turmaline werden zum Beispiel nicht gebrannt.

Für Farbedelsteine existieren keine so klar definierten Qualitätskriterien wie für Diamanten, bei denen die klassischen "4-C" über den Wert entscheiden (Colour, Cut, Carat und Clarity, also Farbe, Schliff, Gewicht und Reinheit). Natürlich ist auch der Preis eines Farbedelsteins abhängig von dessen Gewicht. Ein Saphir mit über drei Karat wird bei einer vergleichbaren Farbe und Reinheit immer deutlich mehr kosten als etwa ein 1,5-Karäter. Mit dem Gewicht vervielfacht sich der Preis. Ganz anders werden Einschlüsse gewertet. Lupenreine Diamanten sind bekanntlich am wertvollsten. Bei Farbedelsteinen indessen sind Einschlüsse von besonderer Relevanz. Sie gelten gleichsam als "Fingerabdrücke der Natur" und geben Hinweise auf Echtheit und Herkunft der Steine. Experten sprechen von "Einschlussbildern". Feinste Einschlüsse bei Saphiren und Rubinen sind für besonders interessante Lichtreflexe - den sogenannten Asterismus-Effekt - verantwortlich. Je nach Lichteinfall entsteht dadurch ein meist sechsstrahliges Sternenbild auf der Oberfläche des Edelsteins. Während Einschlüsse den Wert eines Diamanten in der Regel deutlich mindern, entscheidet bei Farbedelsteinen das ganz persönliche Empfinden über eine Qualitätsbewertung von Einschlüssen.

Auch was die Schliffform angeht, gelten für Farbedelsteine oft andere Regeln als für Diamanten, bei denen nach wie vor der Brillant-Schliff im Vordergrund steht. Relativ bekannt ist überdies zum Beispiel der Smaragdschliff. Weist der Edelstein eine eher geringe Transparenz auf, erscheint ein glatter Cabochon-Schliff empfehlenswert. Innerhalb dieser Gruppe stehen wiederum mehrere Schliffformen zur Auswahl, so etwa der Kugel- oder Kegel-Cabochon. Schließlich besteht die Möglichkeit, den Facettenschliff mit dem Glattschliff zu kombinieren. Ein Teil des Steins trägt dann Facetten, der andere ist glatt. Dass bei Farbedelsteinen vielfach andere Schliffformen üblich sind als bei Diamanten, hängt zum einen mit der geringeren Härte von Rubinen, Saphiren & Co. zusammen. Auf der Moh'schen Skala erreicht der Diamant den Spitzenwert von 10. Ihm nahe kommt nur noch das Mineral Korund. Farbvarietäten des Korunds sind der Rubin und der Saphir (Härte 9 auf der Moh'schen Skala). Ferner sind Farbedelsteine in der Regel deutlich größer als Diamanten und müssen daher anders geschliffen werden. Dessen ungeachtet gibt es natürlich auch viele Farbedelsteine mit Brillantschliff.

Michael Brückner

Archivbeitrag 01.03.2011
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